24 Mai
Bukumatula 4/1988
Erinnerungen und Dokumente
Interview mit Ernst Federn, dem Sohn des Psychoanalytikers und Zeitgenossen Paul Federn
Martin Wolkerstorfer:
Wolkerstorfer: Sie wurden in den USA zum Sozialtherapeuten ausgebildet und haben lange Jahre dort gearbeitet. Seit 1972 leben Sie wieder in Wien. Gibt es beruflich gesehen Unterschiede in den Arbeitsbedingungen in den USA und in Österreich?
Federn: Einer der Unterschiede, der mir sofort wieder bewußt gemacht wurde, ist die mangelnde Diskretion bei den Wiener Analytikern. Kurz nachdem ich nach Wien zurückgekommen war, hat mir eine Kollegin, eine bekannte Sozialarbeiterin, gesagt: „Ich bin so froh, daß Sie da sind. Jetzt kann man zu jemandem gehen, von dem man annehmen kann, daß er nichtsweitererzählt. Man kann sich in Wien von Kollegen nicht analysieren lassen. Es bleibt nichts geheim.“
Wolkerstorfer: Die heutige Generation von Analytikern ist also nicht so verschwiegen wie die früheren?
Federn: Die ständigen Tratschereien kursierten in Wien von jeher unter den Analytikern. Schon Jones [3] machte Freud, glaube ich, einmal den Vorwurf, daß der nicht immer vertraulich sei. Abgesehen davon erfahren Analytiker überhaupt immer mehr als andere Leute. In Cleeveland, das etwa die Größe Wiens hat, sagten mir z.B. Patientinnen: „Der Doktor Soundso wollte oder hat mit mir geschlafen“. Ich habe das ja nie nachprüfen können, und es war vielleicht auch gar nicht wahr.
Wolkerstorfer: Von Wilhelm Reich wurde das ja auch ziemliche behauptet, und er hat es ja auch selbst zugegeben. [4]
Federn: Ja, man hat natürlich gewußt, wie er sich Patienten gegenüber verhält. Das sind zwar alles Dinge, die man nicht nachweisen kann; aber es hat doch immer Ärzte und Analytiker gegeben, von denen kein Mensch auf die Idee gekommen wäre, das zu deklarieren, obwohl es immerfort vorkommt. Auch heute wird das ja von den meisten Psychiatern nicht gestattet – aber diskutiert wird es schon, es gibt sogar Aufsätze darüber.
Wolkerstorfer: Wie stehen Sie zu dieser Frage?
Federn: Es ist eigentlich indiskutabel; aber bitte, in der heutigen Zeit! Bei uns zuhause wurde über diese Dinge überhaupt nicht gesprochen, mein Vater war da außerordentlich diskret, und es war ja auch eine ganz andere Geschichte, daß man z. B. oft untereinander die Frauen ausgetauscht hat.
Wolkerstorfer: Was meinen Sie mit: „Die Frauen ausgetauscht?“
Federn: Naja, man ließ sich häufig scheiden und verheiratete sich dann wechselseitig. Aber mit der Frau eines Kollegen oder mit einer Kollegin zu schlafen, ist eine Sache, mit der Patientin, das ist eine andere.
Wolkerstorfer: Reich schrieb in seinem Buch „Reich speaks of Freud“ [5], Ihr Vater wäre auf ihn eifersüchtig gewesen und hätte deshalb gegen ihn gearbeitet.
Federn: Also, das war schon eine schizophrene Vertauschung. Meine Eltern führten eine außerordentlich gute Ehe, und noch dazu war meine Mutter sowieso um dreizehn Jahre jünger als mein Vater, also selbst die Vorstellung, daß mein Vater sich lieber eine Jüngere genommen hätte, wäre ganz unsinnig.
Wolkerstorfer: Warum, glauben Sie, hat Reich das behauptet?
Federn: Die Geschichte war die, daß meine Mutter ihn einfach nicht gemocht hat. Das spürte er natürlich, denn wenn meine Mutter jemanden nicht mochte, konnte sie ausgesprochen ungut sein. Wenn mein Vater ihr sagte, er habe Reich zum Essen eingeladen, hat meine Mutter geantwortet: „Aber ohne mich. Ich laß Dir servieren.“ Wir haben ja Dienstmädchen gehabt, zu denen hat sie dann einfach gesagt: „Heut‘ kommt Dr. Reich. Servieren Sie zwei Essen für die Herren“.
Wolkerstorfer: Und Reich war darüber gekränkt?
Federn: Ja, deshalb hat er auch diese paranoide Geschichte aufgebracht, daß mein Vater auf ihn eifersüchtig war. Meine Mutter war ja, wenn sie jemanden mochte, überaus lieb und sehr gastfreundlich – da haben eben die Kollegen alle miteinander gesprochen und davon erzählt, wie gut man bei den Ferlems ißt und wie nett die Frau Wilma ist. Meine Mutter hat sich sehr für die Psychoanalyse interessiert und es hat einige Analytiker gegeben, die sie besonders gern gehabt hat, z. B. Sterba [6], und die Bibrings[7][8], die haben dann eben von ihrer Gastfreundschaft geschwärmt, und Reich hatte nichts davon, jetzt war er auf die Frau Federn bös. Im Haus Federn hat sich ja ab 1924 das ganze soziale Leben der Psychoanalyse abgespielt. Freud war damals ja schon 67 Jahre alt und schwer krank und seine Tochter Anna war unerhört schüchtern. So gingen dann alle zu Federn. Und da, das erklärt auch Jones, wurde Reich sicherlich zum Außenseiter.
Wolkerstorfer: Reich hat ja 1925 sein Buch „Der triebhafte Charakter“ Ihrem Vater
gewidmet [9]. Die Beziehung zwischen ihm und Ihrem Vater war damals also noch gut?
Federn: Ich weiß, daß mein Vater lange Zeit viel von ihm gehalten hat. Mein Vater hat 1948/49 in New York ein Seminar über Sigmund Freuds Schriften gehalten, da hat er bei einer Diskussion über Reich gesagt: „Mea culpa, mea maxima culpa; ich habe ihn zum Analytiker gemacht, und das hätte ich vielleicht nicht tun sollen. Sicherlich war erein außerordentlich begabter Kliniker.“ Daß Reich als Kliniker geschätzt wurde, geht auch aus Freuds folgendem Brief hervor [10]:
14.XII.24
Lieber Herr Doktor!
Kurz nach Ihrem Weggang habe ich ein Manuskript von Dr. Reich gelesen, dass er mir am Vormittag zugeschickt hatte und fand es so inhaltsreich und wertvoll, dass mich ein Bedauern erfasste, seinem Streben eine Anerkennung versagen zu müssen. In dieser Stimmung fiel mir ein, dass unser Beschluss, Dr. Jekels zum Stellvertreter vorzuschlagen, ja ungiftig ist, denn wir beide haben kein Recht, eigenmächtig einen Beschluss aufzuheben, der in der Versammlung des Vorstands gefasst worden ist. Dagegen verschwindet, was Sie mir von privaten Feindschaften gegen Dr. Reich erzählt haben. Zufrieden damit, diese formale Begründung gefunden zu haben, bitte ich Sie also, sich an den offiziellen Vorschlag, der im Ausschuss gefasst wurde, zu halten und den Ersatz durch Dr. Jekels fallen zu lassen.
Ich bedaure, mir so bald widersprochen zu haben, aber ich hoffe, Sie werden zugeben, dass diese Entscheidung die einzig korrekte ist.
Herzlich
Ihr
Freud
Wolkerstorfer: Wissen Sie, warum Ihr Vater wollte, dass Jekels statt Reich zum stellvertretenden Sekretär [11]: gewählt würde?
Federn: Ich habe keine Ahnung. Aber da muß es bereits im Dezember 1924 Unstimmigkeiten gegeben haben. Wie gesagt, 1925 hat er ja meinem Vater dieses Buch gewidmet. Reich hat sich damals also offenbar noch um das Wohlwollen von Federn bemüht, sonst hätte er das doch nicht geschrieben. In einem Brief vom 15.12.1924 schreibt Freud [12]:
1 5.XII.24
Lieber Herr Doktor!
Es tut mir recht leid, aber ich kann Sie nicht aus den Verlegenheiten reissen, in die Sie sich selbst gebracht haben. Ihre Einwendungen gegen Dr. Reich hätten Sie in der Vorstandssitzung vorbringen sollen, nicht nachträglich. Die Einholung einer Zustimmung von Seiten der verschiedenen Vorstandsmitglieder knapp vor der Sitzung und unter dem Eindruck, dass ich irgendwelche Motive hatte, gegen Dr. Reich aufzutreten, ist offenbar unstatthaft. Was fangen Sie überhaupt an, wenn irgendjemand, z. B. Frau Dr. Deutsch, diese Zustimmung verweigert? Es kann also nur dabei bleiben, dass Sie den Beschluss vertreten, der unter Ihrer Mithilfe im Vorstand gefasst worden ist.
Betreffs Dr. H. haben wir uns ja geeinigt, dass nichts von der Sache verlauten darf, solange die Möglichkeit besteht, dass es sich nur um einen Tratsch oder um die Vergröberung eines Eindrucks handelt.
Sie werden es leichter haben, Jekels und Hitschmann zu beschwichtigen, als im andern Falle alle einzelnen Vorstandsmitglieder.
Herzlichen Gruß
Ihr
Freud
Federn: Diese Briefe sind sehr interessant, weil sie zeigen, wie Freud Dinge behandelt hat. Also am 14. Dezember hat er den ersten Brief abgeschickt, und einen Tag später dann diesen zweiten Brief. Da hat offenbar mein Vater ihm zurückgeschrieben oder angerufen. Nicht, die Sache ist die: Freud hat am Telefon nicht mehr gesprochen, wegen seiner Krebs-Operation „), und daher gingen so viele Briefe hin und her. Oft war es so, daß mein Vater einfach zu Freud hinüberging, das war ein Sprung von der Riemergasse in die Berggasse; aber für Freud natürlich nicht umgekehrt. Also wissen wir nicht, was sich auf der anderen Seite dieser Briefe – ich habe ja hunderte solcher Briefe von Freud – abgespielt hat. Die schwere Krankheit Freuds wurde von seinen Biographen – außer von Jones – nicht wirklich klar herausgestellt. Ich meine, der Mann hat ja eigentlich ununterbrochen damit gerechnet, es ist sein letztes Jahr, es ist sein
letztes Buch. Und immerfort diese furchtbaren Operationen – wenn man sich nur überlegt, wie ungern einer zum Zahnarzt geht – das muß man sich vorstellen: stundenlange Operationen, die Prothese mußte immer wieder anprobiert werden. Das heißt, es konnte keine Narkose gegeben werden, damit er spüren konnte, ob sie auch paßt. Sobald das geheilt war, mußte dauernd der Sitz probiert werden, und er war doch schon hoch in den Siebzig. Das war schon eine fürchterliche Sache. Freuds Schriften sind natürlich so verfaßt, als schriebe hier ein Gelehrter einfach so vom Schreibtisch aus; man merkt beim Lesen nicht, daß er ein furchtbar leidender Mensch war – vom Psychischen ganz abgesehen.
Wolkerstorfer: Wissen Sie, warum Freud damals eigentlich anderer Meinung über Reich war als Ihr Vater?
Federn: Aus Freuds Briefen sieht man, daß er immer sehr lange überlegt hat. Und so auch bci Reich. Da gibt es hier einen Brief Freuds an meinen Vater vom 22. November 1929, wo er schreibt [14]:
Wien, 22.X1.1929
Lieber Herr Doktor!
Als Sie vorgestern davon sprachen, Dr. Reich von der Leitung des Seminars zu entheben, meinte ich, es werde ihm wahrscheinlich erwünscht sein, da er eine andersartige zeitraubende Tätigkeit in Aussicht genommen habe. So hoffte ich sowohl Ihren als auch seinen Wunsch zu erfüllen. Es scheint aber, daß ich mich hierin geirrt habe und dann müssen Sie wohl auf Ihren Wunsch verzichten, denn eine gewissermaßen strafweise Enthebung Reichs ohne seine Einwilligung durch einen „Ukas[15], das habe ich gewiß nicht gewollt und dazu liegt mir auch kein Motiv vor. Der Kritik, die Sie und andere Kollegen an ihm üben, stehen doch große Verdienste um das geistige Leben im Verein entgegen und er ist auch sonst nicht der Schlechteste. Ich muß Sie also bitten, sich mit ihm allein und persönlich in ein kollegiales Einvernehmen zu setzen. Will er die Leitung des Seminars beibehalten, so muß man wohl nachgeben.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Freud
Wolkerstorfer: Wissen Sie, auf welche „zeitraubende Tätigkeit“ sich Freud im Brief bezieht?
Federn: Es wird wohl Reichs politische Tätigkeit in der Kommunistischen Partei Österreichs gemeint gewesen sein, denn er hat sich 1929 als ihr Kandidat beim Wiener Landtag aufstellen lassen. 1929 habe ich ihn auch kennengelernt, in meiner Mittelschulzeit, ich war damals 15 Jahre und selber politisch schon engagiert. In dieser Zeit war er äußerst aggressiv, er hat einen roten Kopf bekommen und hat gebrüllt, wenn er bei uns auf Besuch war. Das hat mich damals sehr beeindruckt.
Wolkerstorfer: Bei der Seminarleitung, von der im Brief die Rede ist, geht es wohl um das Technische Seminar?
Federn: Darum geht es offenbar, aber ich meine, das ist also ein Brief, der diese blödsinnigen Vorstellungen, daß man ihn ausgeschlossen hat, weil er Kommunist war, ad absurdum führt. Im Brief ist erwähnt, daß er für die Kommunisten arbeiten möchte, aber Freud schreibt ganz klar: behalten Sie ihn. Das sind ja völlig klare Evidenzen hier, daß es nicht um politische Voreingenommenheit geht. Reich ist ja erst 1934 aus der Psychoanalyse ausgetreten[16] hier ist noch ein Brief Freuds an meinen Vater, der auch zeigt, daß Freud Reich auch noch nach seiner Kandidatur bei den Kommunisten zu stützen versuchte[17]:
Wien, 10.X.1930
Lieber Herr Doktor!
Bald nach Ihrem erhielt ich den Brief von Reich, in dem er sich über die Art seiner zeitweiligen Enthebung beklagt. Ich habe ihm geantwortet, daß wir ihm wohl die Erhaltung seiner Funktionen zugesagt haben und das auch einhalten wollen, daß aber über die Technik dieser Beurlaubung nichts abgemacht wurde.
Ich fände an Ihrer Art, die Sache zu arrangieren, nichts einzuwenden und hielte es für keinen Anlaß zur Rekrimination. Natürlich hätten Sie es auch anders
machen können. Ihn wählen und dann beurlauben. Da die Absicht besteht, ihn wieder einzusetzen, wenn er nicht unmöglich geworden ist, kann ich in Ihrem Vorgehen kein Unrecht finden.
Mit herzlichem Gruß
Ihr Freud
Wolkerstorfer: In dem Briefwechsel, den Reich mit Anna Freud 1934 nach dem
Ausschluß geführt hat, finden sich schon auch andeutungsweise politische Argumente.
Federn: Ja wissen Sie, die Anna Freud war, glaube ich, beträchtlich konservativer als ihr Vater. Politisch bezog sie überhaupt keine Stellung, ich würde mich nicht wundern, wenn sie nicht einmal Zeitung gelesen hätte, während Freud sich doch immer mit Politik auseinandergesetzt hat – er hatte ja in jungen Jahren selber Politiker werden wollen. Wir wissen ja auch, daß er viele politische Freunde gehabt hat, die auch einmal einen Aufruf für die Sozialistische Partei unterschrieben haben. Natürlich hat es politisch sehr engagierte Leute gegeben, wie zum Beispiel Siegfried Bernfeld [18] und Wälder [19], der, ich würde sagen, ein rabiater Antimarxist war. Wälder wurde oft ausfällig, wenn es zu Gesprächen über Marxismus kam; da konnte man nicht vernünftig mit ihm reden. Auch Jones war eher auf der konservativen Seite. Aber bei Freud und meinem Vater hat es überhaupt keinen Antimarxismus gegeben; und das waren entscheidende Leute, damals, beim Ausschluß.
Wolkerstorfer: Reich hat ja bei Ihrem Vater 1922/23 eine Lehranalyse begonnen. Könnte es sein, daß Ihr Vater gekränkt war dadurch, daß Reich die Analyse bei ihm abgebrochen hat?
Federn: Ich glaube, das war schon 1921.
Wolkerstorfer: Ja, das ist nicht ganz klar. Jedenfalls hat er sie nach ungefähr einem halben Jahr abgebrochen.
Federn: Daß mein Vater ihm deswegen böse war, halte ich für ausgeschlossen. In dieser Zeit hat man keine so langen Analysen gemacht; sechs Monate waren gar nicht ungewöhnlich. Es war nicht die Art meines Vaters, gekränkt zu sein.
Wolkerstorfer: Haben Sie irgendeinmal etwas über diese Analyse gehört, hat Ihr Vater darüber gesprochen?
Federn: Ja, ich hörte, wie mein Vater sagte: „Ich hätte ihn damals nicht …“ entweder hat er damit gemeint: ‚ich hätte nicht einwilligen sollen, daß er aus der Analyse weggeht‘ oder er meinte: ‚ich hätte ihn überhaupt nicht analysieren sollen‘ – das weiß ich nicht. Die Einstellung, die man Reich gegenüber hatte, entstand aufgrund der Bücher, die er geschrieben hatte, also als erstes die „Charakteranalyse“. Damals hielt man ihn für einen hervorragenden Kliniker. Diese Bezeichnung „hervorragender Kliniker“ hat aber unausgesprochen auch beinhaltet: „aber kein Analytiker“. Man hat von ihm nicht gesagt, er sei ein großer Analytiker. Es gab doch Leute, von denen man sagte, das sind großartige Analytiker, also Wälder, Nunberg [20], Ferenczi [21], Abraham[22], das waren große Psychoanalytiker. Über Reich hat man gesagt: „Er ist ein großartiger Kliniker“; das heißt, er hat Krankheiten sehr schnell erkannt und hat mit diesen Krankheiten sehr gut umgehen können. Aber er hat ja auch mit diesen sehr schwer kranken Menschen gearbeitet…
Wolkerstorfer: … im Ambulatorium …
Federn: Im Ambulatorium, ja. Freud hat sehr viel von Reich gehalten. Reich hatte -was wir heute wissen – Einsicht in seine eigene Pathologie. Das beeindruckte natürlich Leute wie Freud, die von dieser Pathologie selbst nichts gefühlt haben. Reich sah dadurch eine Unmenge von Krankheitsbildern. Das Erkennen des Charakterpanzers und dessen Interpretation waren ja wirklich hervorragende Leistungen.
Wolkerstorfer: Wenn weder Reichs politische Einstellung noch das Abbrechen der Therapie der Grund war, warum Ihr Vater auf den Ausschluß Reichs drang, was war dann der Grund?
Federn: Ich erinnere mich, daß mein Vater sagte, das hätte Freud doch wissen müssen, daß diese inzipiente Schizophrenie Reichs immer schlechter werden würde. Aber es gibt ja diesen Brief Freuds an Holosh, den Schur mit veröffentlichte, in dem Freud sagt:
„Ich bin kein Psychiater. Diese Leute sind mir unheimlich, ich will sie nicht behandeln“. Ich meine, mehr kann man doch nicht von Freud verlangen, als daß er das zugibt… so hat er eben auch den Zustand Reichs nicht erkannt. Mein Vater hat so etwas schon immer sehr frühzeitig erkannt [24], aber die immer weiter fortschreitende Paranoia, die ja dann ausgebrochen ist, hat auch er am Anfang nicht geahnt. Die Einstellung zur Geisteskrankheit ist etwas, was den heutigen, vor allem den jungen Historikern, die heute darüber schreiben, schwer klarzumachen ist. Heute gibt es ja kaum einen Psychoanalytiker, der vor Schizophrenie Angst hat. Aber zu Freuds Zeiten und bis eigentlich in die fünfziger Jahre hinein hatten Analytiker vor dem Nichterkennen einer Geisteskrankheit panische Angst. Dafür gab es eine Reihe von Gründen: Es war in den Köpfen der Leute, daß die Analytikerin Hug-Hellmuth [25] von ihrem geisteskranken Neffen umgebracht worden sei. Es hieß also, einen der Kollegen habe ein schizophrener Patient umgebracht. Das wurde dann ja von Huber[26] widerlegt – aber erst 1980. Es gibt ein Zitat von Federn aus den Isakower-Papieren [27], wo er sagt: „Zuerst einmal muß sich ein Psychoanalytiker versichern, daß ihn der Patient nicht umbringt.“ Denn Sie müssen sich ja vorstellen: man war allein mit einem Menschen in einem Raum. Man hat ja damals nicht in einem Spital behandelt oder in Büroräumen, wo man klingeln kann. Man war zuhause und manche waren alleine oder mit der Frau, und da hatte man natürlich Angst vor Schizophrenie. Mein Vater war der erste und für lange Zeit der einzige, der den Mut hatte, diese Leute in Therapie zu nehmen. Und das war gar nicht so einfach: man hat einen zurückhalten müssen davor, beim Fenster hinauszuspringen, das war alles unerhört, die Risiken, die man auf sich genommen hat. Das ist heute sehr schwer verständlich. Heute bekommt ein Geisteskranker, wenn er zu toben beginnt, eine Injektion oder Medikamente; und dann ist es erledigt. Aber das gab es ja damals alles nicht. Das einzige Mittel war die Zwangsjacke und dann das heiße Bad. Dann kam noch dazu, daß Dr. Harnik[28] auf einem Kopenhagener Kongreß[29] plötzlich geisteskrank wurde und abgeführt werden mußte; er wurde plötzlich psychotisch. Dazu kam Groß [30], ein schwer Drogenabhängiger, den mein Vater damals in eine Anstalt einlieferte. Das war 1919 oder 1920; das war nicht besonders günstig für die Psychoanalyse, von der ohnehin alle gesagt haben, daß sie verboten gehört. Der Selbstmord von Tausk [31] hat die Leute auch sehr geängstigt. Wenn man Geschichte schreibt, muß man das berücksichtigen – die Leute hatten davor Angst, das ist ja auch sehr verständlich. Inzwischen hat sich das völlig gewandelt. Heutzutage sagt man: Nur ein Schizophrener kann Schizophrene behandeln. Der Begriff der Schizophrenie ist ein anderer geworden. Man ist heute eben viel toleranter und man macht auch die verrücktesten Psychiater ohne weiteres zu Ordinarien. Aber das ist erst eine Errungenschaft der zweiten Generation nach Freud.
Wolkerstorfer: Wie sehen Sie Reich vom Charakter her?
Federn: Das kann ich nicht sagen. Das ist eine Frage, wie man einen Charakter beurteilt. Er war sicher der Sache sehr ergeben, er war politisch unerhört engagiert; er hat sich eingebildet, daß er ein Marxist wäre – aber bitte, das taten ja viele. Er hat versucht, den Faschismus zu verstehen, zu einer Zeit, wo andere das Problem noch gar nicht erfaßt haben. Seine Rolle als Sexualreformer wird heute meiner Meinung nach maßlos überschätzt.
Die Herrschaft der Nationalsozialisten hat viele Sexualreformen, die es vor dem Krieg bereits gab, zunichte gemacht, man weiß heute kaum mehr etwas von den großen Bewegungen zur Sexualreform, etwa von Hodann [32] und Hirschfeld“, vor allem, was die Homosexualität betrifft. Und viele Analytiker waren dabei, ich denke da an Willi Hofer [34] und auch an meinen Vater, der damals mehrere Sexualreform-Kongresse organisierte. Und Van de Velde [35] oder Fritz Wittels [36].
Es ist also nicht so, daß Wilhelm Reich der einzige war. Das Auftreten gegen die Heuchelei, dazu hat man Reich nicht gebraucht, das hat’s also überall gegeben. Es war nur damals viel schwerer als heute, es durchzusetzen. Wir leben heute in einer relativ toleranten Zeit, in der selbst Reich nicht mehr der große Revolutionär ist [37], aber damals hätte er für einige der Sachen, die er mit den Patienten machte, eingesperrt werden können.
Wolkerstorfer: Wann haben Sie das letzte Mal von Reich gehört?
Federn: Über Reich höre ich gerade jetzt sehr viel, weil ja eine Menge über ihn publiziert wird; manche der Autoren haben sich auch an mich gewandt. In New York rief mich einmal meine Direktorin und Supervisorin an und fragte: „Sagen Sie mir, wissen Sie etwas über Dr. Reich? Ist das derselbe wie Reik?“ Sie hatte Grethe Hoff“), die in Norwegen von Reich analysiert worden war, in ihrer Organisation als Analytikerin angestellt.
Und die Grethe Hoff sagte, sie sei eine Schülerin von „Reik“, sie hat „Reich“ also „Reik“ ausgesprochen, ich weiß nicht warum, denn im Englischen spricht man Reich entweder „Reich“ oder „Reech“, aber niemals „Reik“ aus. Man nahm also an, sie sei eine Schülerin Theodor Reiks „). Als ich der Direktorin erklärt hatte, wer Reich ist, sagte sie: „Ah, da haben wir abereinen schrecklichen Fehlergemacht“. Denn diese junge Dame – übrigens die erste Frau von Dr. Sharaf – hat einer Klientin geraten, sie soll ein Verhältnis eingehen, da sie mit ihrem Mann nicht konnte.
Das war also damals in York – das war Anfang der fünfziger Jahre – beinahe eine Aufforderung zu einem kriminellen Akt, dafür konnte man eingesperrt werden. Diese Klientin hatte sich also beschwert, und da gab‘ s ein Riesentheater, das war also untragbar. Reich hat dann ja in Maine das Orgon-Institut gegründet. Durch Zufall lernte ich den Mann kennen, der diese Orgon-Boxes für die Leute in Maine gebaut hat. Das waren wirklich
Weder die bürgerliche noch die linke Reichrezeption haben diesen Standpunkt Reichs bis heute erfaßt. Vorn ‚Vorbeter der repressiven Entsublimierung“ über Menitalfetischisr bis hin zum ‚bürgerlichen Moralisten“ wurde Reich etikettiert. ‚Es passiert wieder und wieder, daß biopathische Individuen … ’sexuelle Gesundheit‘ mit sexuellem LlbertinIsmus verwechseln.‘ W. Reich, „Warning against the Misinterpretation of Sexual Health.“ Int. Journ. of Sex-Economy and Orgonomy No. 2, p. 197, 1943 (überseUung Martin Wolkerstorfer).
nichts anderes als zusammengestoppelte Kästen, die mit Metall ausgeschlagen waren. Das hat sich natürlich auch mit der Zeit herumgesprochen. „Sweatening-Box“, Schwitzkasten, hat man das genannt.
Wolkerstorfer: Was wissen Sie von Annie Reich‘), seiner ersten Frau?
Federn: Die Annie habe ich sehr gut gekannt, sie war mit meiner Schwester befreundet. Sie war ein ganz besonders netter, warmer, sehr für ihre Patienten sich einsetzender Mensch. Man hat Reich diese Ehegeschichte damals sehr übelgenommen.
Wolkerstorfer: Sie meinen die Trennung der beiden…?
Federn: Ja, es ist viel getratscht worden, alles habe ich nicht mitbekommen. Wilhelm und Annie Reich waren ja beide Analytiker, beide waren politisch sehr links orientiert. Da gab es sicher keine Schwierigkeiten. Die Schwierigkeiten müssen anderer Art gewesen sein. Sie ist ja dann nach Prag gezogen, glaube ich. Sie hat später in Amerika den ehemaligen Schatzmeister. der „Dritten Internationale“, Thomas Rubinstein [42] geheiratet. Ich habe ’sie später wieder in New York gesehen; sie ist jetzt schon gestorben.
Wolkerstorfer: Reichs dritte Frau, Ilse 011endorf, behauptet, daß der Konflikt zwischen Reich und Annie der gewesen sein soll, daß Annie meinte, daß ihre Kinder nicht in einen kommunistischen Kindergarten kommen sollten.
Federn: Ja, das kann sein. Nun, die Kinder [43], [44] Reichs waren im Kindergarten, in dem auch meine Frau gearbeitet hat.
Wolkerstorfer: Das war in Wien.
Federn: Ja, in der Köstlergasse [45]. Und meine Frau erinnert sich daran, wie die kleine
Lorli einen Brief vom Vater bekommen hat, wo er auf einem Foto nackt mit seiner Freundin zu sehen war. Und das hat natürlich meine Frau damals sehr aufgeregt. Das war 1934, das muß er schon aus Berlin geschickt haben. Die Lorli war damals, glaube ich, fünf oder sechs Jahre alt. Meine Frau hat das dann ganz empört meinem Vater erzählt. Und denken Sie sich, naja Gott, Patienten erzählen viel, das muß nicht stimmen, aber auf einmal hört mein Vater von seiner Schwiegertochter solche Geschichten. Daraufhin sagt er: „Aha, na, mehr brauch ma nicht!“
Wolkerstorfer: Nach Aussagen von Eva Reich, seiner ersten Tochter, soll es schon in W ien Probleme gegeben haben, weil sie – vom Vater vorgeschrieben – schon als Kind Analyse machen mußte – bei Berta Bornstein[46].
Federn: Ja, das kann sein.
Wolkerstorfer: War das damals üblich, Kinder in Analyse zu nehmen?
Federn: Die Kinder der Analytiker haben damals wirklich viel mitgemacht. Man hat – möchte ich sagen – wild darauflos therapiert. Man war lange Zeit davon überzeugt, daß man die Kinder ganz frei erziehen soll, ganz ohne Einschränkungen. Aber die Kinder der Generation Freuds und meines Vaters haben davon überhaupt noch nichts bemerkt, die Freud-Kinder sind ganz konservativ erzogen worden. Freud war damals, als seine Kinder heranwuchsen, noch gar kein Analytiker. Anna war, als er die „Traumdeutung“ schrieb, fünf Jahre alt. Und Martha Freud [47]hat ja gar nicht gewußt, was der Professor da alles schreibt, die hatte ja keine Ahnung von der Psychoanalyse. Sie führte einen ganz viktorianischen, puritanischen Haushalt. Bei uns zuhause war’s genau dasselbe; ein unanständiger Witz wurde da überhaupt nie erzählt.
Wolkerstorfer: War das sehr streng?
Federn: Das war nicht streng, mein Vater war überhaupt nicht streng. In diesem Sinn aber auch nicht analytisch. Analytisch war nur, daß Sexualität nicht etwas Verbotenes war, ich meine, es hatte niemand sehr darauf abgesehen, kindliche Sexualität zu unterdrücken. Das war wahrscheinlich auch im Hause Freud so. Aber die nächste Generation hat dann schon viel mehr experimentiert und vor allem dann sehr schnell Kinder in Analyse geschickt. Es ist sehr schwer, da einen gültigen Schluß zu ziehen.
Denn es gibt Kinder von Analytikern, die ein völlig normales Leben geführt haben, und andere, die es ziemlich schwer gehabt haben. Aber das Leben eines Analytikerkindes war im allgemeinen schwer. Ich meine, das Leben eines Kindes in einer analytischen Ordination, das muß man sich vorstellen: also jede Stunde ist ein anderer Patient zur Sitzung gekommen. Da durfte also überhaupt kein Ton laut werden, da mußte völlige Ruhe herrschen, man durfte nie die Familie sehen. Damals waren die Wohnungen doch noch sehr klein, man hat ja noch nicht sein eigenes Büro gehabt, man hat auch noch nicht so viel verdient wie heute. Und dabei war es bei uns wahrscheinlich noch leichter als in anderen Familien, aber ich kann das nicht beurteilen, ich war mit keinem der Kinder von Kollegen meines Vaters befreundet.
Wolkerstorfer: Sie wurden als Kind nicht analytisch behandelt?
Federn: Mein Vater war ein Gegner der Kinderanalyse. Anna Freud war ihm zu konservativ; er hat einfach nicht geglaubt, daß man Kinder analysieren könne. Und ich glaube, so dachte auch Freud. Melanie Klein [48] hat man überhaupt abgelehnt … man war skeptisch, ob man Kinder überhaupt analysieren soll.
Aber bitte, das war alles vor 1938. Es hat ein paar große Kinderanalytikerinnen gegeben wie die Bertl Bomstein, die Skerwa, etc. Aber mein Vater war von Anfang an skeptisch, er hat ja versucht – das habe ich auch einmal irgendwo geschrieben – eine psychoanalytische Pädagogik für Lehrer zu schreiben, aber nicht für Kinder. Er war der Meinung, daß die Psychoanalyse auf die Kindererziehung nur durch die präventive Anwendung ihrer Erkenntnisse einen Erfolg hat, und daß man die Lehrer analysieren muß, die Erwachsenen, die Erzieher. Kinderanalyse gegenüber war also diese Generation skeptisch. Plötzlich entstand dann ein unerhörter Optimismus, man begann Kinder immer mehr zu analysieren; das hat sich dann polarisiert.
Wolkerstorfer: Es war also üblich, daß die Kinder analysiert wurden, zumindest manche?
Federn: Ja, wenn das möglich war. Manchmal hat man auch gegenseitig analysiert.
Wolkerstorfer: War da die Abstinenzregel nicht …
Federn: Naja, was hat man denn machen können?
Wolkerstorfer: Aber Freud hat doch abgelehnt, Schüler von ihm zu analysieren.
Federn: Ja, aber er hat auch seine eigene Tochter analysiert. Er hat doch – nach Eduardo Weiss [49], – diesen klassischen Ausspruch getan: „Ich weiß nicht, ob es richtig war, daß ich Anna analysiert habe. Bei einem Sohn hätte ich es bestimmt nicht getan.“ Das steht in einem Brief; kennen Sie den nicht?
Wolkerstorfer: Nein, den kenne ich nicht.
Federn: Diese Aussage ist doch sehr interessant: „Bei einem Sohn hätte ich es bestimmt nicht getan“. Er hat nicht gesagt, daß man nicht analysieren darf unter Freunden, er hat nicht gesagt, unter Kollegen. Wenn man unter Freunden analysiert, muß man gefaßt sein, daß die Freundschaft auseinandergeht. Aber was sollte man machen. Um jemanden zu analysieren, konnte man ihn ja nur zu einem Kollegen schicken; und damals gab es nur etwa dreißig Mitglieder.
Wolkerstorfer: Es sind ja auch etliche als Patienten zu ihm gekommen und dann Analytiker geworden.
Federn: Ja, wahrscheinlich, das weiß ich nicht. Man weiß es von Jekels [50], das war der erste Analytiker, der von Freud analysiert worden ist. Nicht gut analysiert. Jekels war ein außerordentlich interessanter Mensch, aber nicht jemand, den man für „analysiert“ halten würde. Das war etwa 1908. Freud hat so viel weniger gewußt als wir heute. Einer der größten Fehler in dieser Zeit war, daß Freud von der „Gegenübertragung“ sehr wenig gewußt hat. Das hat ganz sicher auch zu seinem problematischen Verhältnis zu C. G. Jung geführt. Den hat er ja überhaupt nichtbegriffen. Alfred Adler vielleicht eher. Aberdiese Entwicklung hat er dann ja nicht mehr kontrollieren können. Er hat das nicht mehr ganz mitbekommen. In ganz hohem Alter hat er dann Marie Bonaparte, Ruth Mack-Brunswick und Helene Deutsch [51] analysiert.
Wolkerstorfer: Reich hat er ja abgelehnt für eine Lehranalyse.
Federn: Das hat Freud mit anderen Schülern auch gemacht. Die meisten hat er abgelehnt. Viele waren gekränkt, daß sie von ihm nicht analysiert wurden.
Wolkerstorfer: Reich soll ja später noch bei Rado [52] in Analyse gewesen sein, wissen Sie darüber Genaueres?
Federn: Sharaf und Eissler haben mich auch gefragt, wer der zweite Analytiker nach meinem Vater war. Wenn es wirklich Rado war, dann muß das schon schlimm gewesen sein: zuerst vom Federn und dann vom Rado analysiert zu werden – furchtbar! Der Rado war doch ein schlechter Mensch!
Wolkerstorfer: Wie meinen Sie das?
Federn: Ein charakterloser Mensch, dabei sehr begabt.
Wolkerstorfer: In welcher Hinsicht?
Federn: Er machte doch seine eigene Columbia-School für Psychoanalyse, das war alles sehr angepaßt und sozial, aber bei den Kollegen war er eigentlich nicht beliebt. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich war in Analyse bei Nunberg – damals lebte mein Vater noch – und ich sagte zu Nunberg: „Wissen Sie, mein Vater hat sich mit Rado ausgesöhnt.“ Daraufhin meinte Nunberg: „Was! Da muß er aber sehr krank sein!“. Jeder wußte, Rado und mein Vater waren spinnefeind. Rado ist aus der New Yorker Psychoanalytischen Vereinigung weggegangen, nachdem ihn mein Vater also buchstäblich hinausgedrängt hat, und hat sich dann so schäbig benommen, er hat sich in der Columbia über den Freud lustig gemacht – er muß ein gräßlicher Mensch gewesen sein.
Einmal hielt er einen Vortrag in der New Yorker Vereinigung. Nach dem Vortrag stand mein Vater auf und sagte, der Vortrag des Kollegen Rado erinnere ihn daran, daß es in Italien Leute gäbe, die Skulpturen mühevoll herstellen und verkaufen und andere, die Skulpturen ausgraben und sie als eigene verkaufen. „Sie können sich selber aussuchen, zu welchen Dr. Rado gehört!“. Daraufhin applaudierte die ganze Versammlung, Rado stand auf und ging weg. Mein Vater hat ja auch den Reich so hinausgedrängt – er war da furchtbar brutal, im Moment war er sehr nett und wenn Schluß war, war er sehr scharf, sehr bös.
Über Theodor Reik war mein Vater auch einmal sehr erbost, weil der ihn in seinem Buch über Masochismus nicht zitiert hat, obwohl bekannt war, daß mein Vater die ersten großen Arbeiten über Masochismus verfaßt hat. Obwohl Reik doch ein alter Freund von ihm war, sagte mein Vater: „Reik ist ein Lügner“, was Reik natürlich prompt erfahren hat. Reik hat daraufhin verlangt, mein Vater müsse das zurücknehmen, sondern würde er nicht mehr mit ihm sprechen. Als man meinem Vater das ausrichtete, hat er gesagt: „Warum war denn der Reik bös, ich hab doch recht!“ Sehen Sie, solche Sachen hat mein Vater gemacht.
Wolkerstorfer: Die Psychoanalyse hat ja in Amerika recht rasch Fuß gefaßt. War das eigentlich zu erwarten?
Federn: Freud hat nie daran geglaubt, daß die Analyse jemals einen so großen Erfolg haben wird. Vor allem hätte er es niemals für möglich gehalten, daß die Analyse in den Vereinigten Staaten eine derart große Rolle spielen würde; die Vereinigten Staaten hatte er ja völlig abgeschrieben. Amerikaner hat er nur analysiert, weil er deren Geld gebraucht hat. Insgeheim war es ihm völlig gleichgültig, wie so ein Amerikaner analysiert wurde.
Er war überzeugt, daß das, was man einem Amerikaner mitgibt, etwas Verlorenes ist. Abraham Kardiner, Simley Blanton und eine Reihe anderer Amerikaner sind von ihm analysiert worden. Diese Analysen sind deswegen so interessant, weil Freud zu dieser Zeit technisch ja ganz unklassisch gearbeitet hat. Das waren eigentlich, meiner Meinung nach, niemals wirkliche Analysen.Freud hat mit denen lediglich psychoanalytische Aufklärung betrieben; er hat sehr viel gedeutet. Wirkliche Analysen hat er nur bei ganz wenigen seiner Schüler gemacht.
Wolkerstorfer: Also Analysen in der streng klassischen Form machte Freud selten?
Federn: Na ja, die Analyse in der streng klassischen Form stammt nicht von Freud, die stammt im wesentlichen von Abraham, von Nunberg, von Wälder, von Eissler [53]. Später haben noch viele andere auch zur Theorie und Technik beigetragen, so etwa auch Sterba. Sie haben alle in Kleinarbeit mehr und mehr zusammengetragen. Aber Freud war das alles noch nicht vertraut. Er hat diese Entwicklung auch nicht sehr hoch eingeschätzt. In der „Zeit“ war unlängst ein Dossier über die Gegner Freuds, in dem man Freud vorwirft, daß er selbst sehr bald erkannt habe, wie wenig therapeutische Wirkung die Psychoanalyse habe.
Schon 1919 hat er ja am Budapester Kongreß gesagt: „Wir werden das Gold der Analyse mit dem Kupfer der Suggestion …“ [54]. Es war ihm klar, daß die Adlerianer in vielen Dingen wesentlich erfolgreicher waren. Und die Therapie – es gibt ja einen Brief von Freud, in dem er sagt: Die besten Patienten für die Analyse sind diejenigen, die gesund sind, das heißt, er war zuletzt der Überzeugung, daß die Analyse eine Methode für sehr intelligente, gesunde Menschen ist – soweit es überhaupt so etwas gibt. Das heißt, eine Lösung der allgemein menschlichen Neurose für eine kleine Elite besonderer, wissenschaftlich orientierter Menschen.
Alles andere ist eben psychoanalytische Therapie, und da gibt es ja eine ganze Menge. Das hat Freud aber seinen Schülern überlassen. Und da gehört natürlich auch Reich dazu, weil Reich ja einer der ersten war, die aus diesem klassischen Modell heraus neue Wege gegangen sind. Die psychoanalytische Therapie ausgearbeitet und weiterentwickelt haben damals im wesentlichen Ferenczi und Federn. Freud hat beide in ihrem Experimentieren mit Therapie nicht begriffen, wobei ihm besonders Ferenczis Aktivitäten unheimlich waren; der hat sehr kühne Experimente gemacht und war noch dazu sozusagen „außer Reichweite“.
Freud hatte Angst, Ferenczi würde Dinge machen, die Schwierigkeiten bringen. Bei meinem Vater hat er gewußt, bei dem Federn kann überhaupt nichts passieren, das war klar, der macht nichts, was gefährlich ist_ Aber die Arbeiten meines Vaters über die Psychosen hat Freud auch nicht verstanden und wollte sie offenbar auch gar nicht verstehen. Aufmunternd hat er lediglich gemeint: „Machen Sie nur weiter…“.
Wolkerstorfer: Reich ist ungefähr im Mai 1933, nachdem er wegen der Nationalsozialisten von Berlin wegmußte, ganz kurz noch einmal nach Wien gekommen. Ilse 011endorf und David Badella schreiben, er sei damals sehr ungnädig aufgenommen woden; wissen Sie etwas aus dieser Zeit?
Federn: Da war ja schon halb Faschismus, die Auflösung des Parlaments.
Wolkerstorfer: Das war dann ein halbes Jahr später. Jedenfalls wurde Reich damals abgelehnt.
Federn: Ja, man hat sich sehr gestritten. Der Wälder konnte ihn überhaupt nicht leiden.
Wolkerstorfer: Gab es auch Mitglieder in der Vereinigung, die ihn unterstützten?
Federn: Ja, Gustav Heckte und Fenichel [55] sollen immer auf seiner Seite gestanden sein, also natürlich nicht, als er ausgeschlossen wurde, aber Fenichel war ja auch Kommunist. Naja, Reich ist ja dann weggezogen, er war ja kurze Zeit bei den Trotzkisten, da gibt es ja diese Korrespondenz, die Herr Safranek vom Widerstands-Institut in Harvard ausgegraben hat. Das sind Briefe von Reich an Trotzki und von Trotzki an Reich. Herr Safranek hat mir die Kopien hinterlassen.
Oktober 1933
Werter Genosse Trotzki!
Ich wende mich an Sie in der Annahme, dass die folgenden Mitteilungen für die gesamte revolutionäre Bewegung von heute nicht abschätzbaren Nutzen sein könnten. Ich bin Psychoanalytiker (Arzt und Freudschüler) und organisierte in Deutschland die kommunistische sexualpolitische Bewegung seit 1931. Es gab in Deutschland etwa 80 Sexualorganisationen verschiedenster Art, meist reformistisch und auch sexualpolitisch falsch, unklar geführt, mit zusammen etwa 300.000 Mitgliedern, die überwiegend parteilos, sehr oft christlich oder national waren. Im Westen Deutschlands gelang die revolutionäre Zusammenfassung im ersten Anlauf zu einer Einheitsorganisation von ca. 40.000 Mitgliedern. Ich kämpfte gegen die Parteibürokratie zwei Jahre lang einen aufreibenden Kampf darum, aus der elenden Sexuallage der Massen eine eigene dem allgemeinen Klassenkampf eingegliederte politische Linie zu entwickeln, wogegen die Bürokratie die sexuelle Frage der sozialen entgegenstellte, statt sie einzugliedern, und mit wirtschaftlichen Parolen unter Ausschluß der sexualpolitischen „die Massen mobilisieren“ wollte, wodurch die Bewegung ins Stocken kam. Ich wurde der Reichsleitung enthoben und die Bewegung ging zurück. Wie ich vor kurzem hörte, wurde jetzt die Bürokratie geschlagen und der Kampf geht auf meiner Plattform weiter. Ich versuche gegenwärtig, die Kräfte im internationalen Masstabe zusammenzufassen und vor allem theoretische Klärung zu schaffen. Es gibt dabei viele Fehlerquellen, die bei einiger Selbstkritik zu vermeiden sind, doch läßt die praktische Erfahrung keinen Zweifel darüber, dass die Massenmobilisierung insbesondere an der kulturpolitischen Front in der Sexualpolitik einen mächtigen Hebel hat, was in erster Linie die unpolitischen oder passiven Massen betrifft.
Die kommunistische Partei kann als wirtschaftspolitische Organisation die sexualpolitische Arbeit nicht leisten, hierzu ist eine eigene Massenorganisation notwendig, doch kann diese ohne Anlehnung an eine politische Partei eben so wenig zur vollen Entwicklung kommen. Ich bitte Sie nun, mir mitzuteilen, wie Sie zu einer Zusammenarbeit stehen. Dazu wäre natürlich notwendig, dass sich die Führung der politischen Organisation ausreichend über die Grundprobleme der Sexualpolitik orientiert und im Falle des grundsätzlichen Einverständnisses die Organisation unterstützt. Ich glaube bei Ihnen für die Bedeutung der Sexualpolitik für den Klassenkampf mehr Verständnis, als sonst der Fall ist, zu finden, und gründe diese Ansicht auf den Schluss Ihrer Kopenhagener Rede, sowie auf Ihre Schrift „Fragen des Alltagslebens“, ich glaube aus dem Jahre 1924, in der Sie im Anhang mit vollem Verständnis die Fragen der Funktionäre dieses Gebiet betreffend abdruckten. Ich darf, ohne es hier zu beweisen, anfügen, dass der
Rückgang der Kulturrevolution in der SU zentral mit der Tatsache innigst zusammenhängt, dass die sexuelle Revolution im Jahre 1923 abgestoppt und nicht ins Klare weiterentwickelt wurde. Ich hoffe diese wichtige Frage demnächst ausführlich darlegen zu können, und verweise jetzt nur noch auf die in der „Neuen Weltbühne“ geschilderten Verhältnisse, die auf eine Rebellion der Literaturkonsumenten in der SU hinweisen, allerdings vorläufig noch eine rückläufige (Zurückgreifen auf Klassiker).
Ich veröffentliche jetzt eine Schrift über die Sexualökonomie der politischen Reaktion und die Grundaufgaben der proletarischen Sexualpolitik, die ich Ihnen sofort zukommen lassen werde. Ich bitte Sie um Ihre Meinung und im Falle grundsätzlicher Zustimmung um politische und organisatorische Hilfe sowie Aufrechterhaltung des Kontaktes in der Arbeit. Ich übergab vor kurzem einem Funktionär zwei Schriften für Sie, eine die Frage der Jugend und eine die Geschichte der Sexualökonomie betreffend.
Rein politisch habe ich mich von der grundsätzlichen Richtigkeit Ihrer Auffassungen überzeugt und verfolge aufmerksam die Arbeit der LO. Obwohl ich selbst immer weniger an die Möglichkeit einer Wiederherstellung der kommunistischen Partei glaube, konnte ich mich noch nicht restlos mit der Frage der Gründung einer neuen Partei ins klare bringen. Ich bin noch Mitglied der KPD, stehe jedoch in schwerster Opposition und bin nur deshalb noch nicht ausgeschlossen worden, weil erstens sich kein Kompetenter findet, der meine sexualpolitische Theorie kritisieren kann, und zweitens, weil mein Einfluss zu gross ist. Die Sache soll sich demnächst entscheiden. Sollte ich ausgeschlossen werden oder aber die Politik der Komintern, wie etwa die Aussenpolitik der SU, nicht mehr durch Mitgliedschaft mitverantworten können und selbst austreten, dann bleibe zunächst nur die Möglichkeit, eine Zeitlang parteilos weiterzuarbeiten und die neue parteiliche Bindung abzuwarten. Da meine Arbeit sowohl in theoretischer wie auch in praktischer Hinsicht ein neues, bisher brachliegendes Gebiet der revolutionären Front betrifft, muss ich mir einige Selbständigkeit bewahren, ohne Partisan sein zu wollen, solange, bis entweder die revolutionäre Partei grundsätzlich einverstanden ist. Die weiteren Fragen brauchen nicht schon jetzt entschieden zu werden, ausser der einen, ob ein enger Kontakt erwünscht und möglich ist.
Mit bestem revolutionärem Gruss
Wilh. Reich
7. November 1933
Werter Genosse Reich!
Ich beantworte Ihren Brief vom Oktober 1933 mit so großer Verspätung, weil ich einen Monat lang aus Gesundheitsrücksichten „auf Urlaub“ war. Auch hatte ich bis jetzt nicht die Möglichkeit, das mir von Ihnen zugeschickte Buch „Massenpsychologie des Faschismus“ durchzunehmen. Die zwei Schriften über die Frage der Jugend und über die Geschichte der Sexualökonomie habe ich jedenfalls nie bekommen.
Ich muß offen gestehen, daß ich überhaupt auf Ihrem Sachgebiet ziemlich ignorant bin und mit dem Standpunkt, den Sie in den Vordergrund stellen, mich nie beschäftigt habe. Damit will ich … (?) keineswegs … (?) das von Ihnen bearbeitete Gebiet charakterisieren. Die allgemeine Bedeutung der Sexualprobleme für die Erziehung der Arbeiterjugend verkenne ich nämlich nicht und würde gerne mich über Ihre Ansichten, Erfahrungen und Pläne auf diesem Gebiet des Näheren informieren.
Ich brauche damit nicht zu sagen, dass der von Ihnen vorgeschlagene enge Kontakt höchst erwünscht erscheint, und ich will dabei hoffen, dass er nicht nur unpersönlicher Art sein wird.
Mit bestem Dank und Gruß
(Unterschrift fehlt auf der Fotokopie)
Federn: Dann habe ich noch die Fotokopien von zwei Briefen aus dem Jahre 1935:
Kopenhagen 10. September 1935
Werter Genosse Trotzki!
Sowohl unter unsern Spezialisten wie auch Genossen wird jetzt, wie begreiflich, sehr eifrig die so komplizierte Frage der Kulturentwicklung in der Sowjetunion diskutiert. Die Sexualpolitische Organisation (Sexpol) hat die betreffenden Probleme in einer kurzen Arbeit zusammenzufassen versucht. Es sprechen viele Gründe für und ebensoviele gegen die momentane Publikation. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns Ihre Meinung zu einigen dieser Fragen und Stellungnahmen sagen wollten. Ich meine, dass es vorteilhaft wäre, wenn man die Dinge mündlich besprechen könnte.
Ich bitte Sie, mir mitzuteilen, ob es Ihnen interessant und wichtig genug
erscheint, sich darüber zu unterhalten. Wenn ja, dann bitte ich Sie, die Zeit zu
bestimmen. Für mich käme am besten ein Sonntagspätnachmittag in Betracht, da die Wochentage meist stark besetzt sind. Doch würde ich selbstverständlich, wenn ein Sonntag nicht in Frage kommt, mich auch an einem Wochentage vorabends oder abends freimachen.
Mit revolutionärem Gruss
Wilhelm Reich
18. 9. 1935
Werter Genosse Reich,
Ich begebe mich eben in ärztliche Behandlung, deren Dauer nicht vorauszusehen ist. Ich werde mich aber sehr freuen, mit Ihnen zusammenzukommen, obwohl das muss ich im Voraus sagen – meine Kompetenz auf dem Sie interessierenden Gebiet höchst gering ist. Sobald ich selber Bescheid weiss, werde ich Ihnen eine Mitteilung zukommen lassen.
Mit besten Grüßen
Wolkerstorfer: War Reich Trotzkist?
Federn: Er war irgendeinmal bei den Trotzkisten, ’35, aber nicht lange, das weiß ich,
und dann ist er weg, und dann hat er die Sexpol in Dänemark begonnen und dann ist
er nach Norwegen, da hat er das Buch über das Homunculus-Problem geschrieben.
Wolkerstorfer: Über die Bione, über Biogenese.
Federn: Ja, und dann ist er nach Amerika, und dann ist er eingesperrt worden und ist gestorben.
Wolkerstorfer: Da gab es doch dieses lange Interview über die oral history von ihm…
Homunculus = ‚Menschlein“, auf künstliche Weise hergestellter Mensch. Demgegenüber legte Reich auf die Feststellung wert, daß die von ihm entdeckten ‚Bione“ genannten Formen eine Zwischenstufe zwischen belebter und unbelebter Materie darstellten, nicht mit ‚künstlicher Schöpfung“ zu verwechseln seien.
Federn: Ja, da haben ja alle gesprochen, und er sagte natürlich, es dürfe nicht veröffentlicht werden, es wurde aber doch veröffentlicht. Ich habe mich damals furchtbar geärgert über diese Blödheiten, die er über meinen Vater geschrieben hat. Es ist ja auch zu blöd, meinen Vater einen „Modju“[56] zu nennen. Jeder, der meinen Vater gekannt hat, weiß, daß er die freundlichste Seele der Welt war, er hat sich gern aufgeregt, aber keinem Menschen was zuleide getan. Ihn eine Mischung aus Stalin und weiß was ich was zu nennen, ist wirklich ein Paradox, er war eben paranoisch. Und dann ist er doch so tragisch gestorben. Herzversagen.
ANHANG: Kopien der Originalbriefe Sigmund Freuds
PROF. DR. FREUD WIEN IX., BERGGASSE 19
14.XII.24.
Lieber Herr Doktor!
Kurz nach Ihrem Weggang habe ich ein Manuskript von Dr. Reich gelesen, dass er mir am Vormittag zugeschickt hatte und fand es so inhaltsreich und wertvoll, dass mich ein Bedauern erfasste, seinem Streben eine Anerkennung vorsagen zu müssen. In dieser Stimmung fiel mir ein, dass unser Beschluss, Dr. Jekels zum Stellvertreter vorzuschlagen, ja eigenmächtig ist, denn wir beide haben kein
Recht, eigenmächtig einen Beschluss aufzuheben, der in der Versammlung des Vorstands gefasst worden ist.
Dagegen verschwindet, was Sie mir von privaten Feindschaften gegen Dr. Reich ezählt haben. Zufrieden damit, diese formale Begründung gefunden zu laben,. bitte ich Sie also, sich an den offiziellen Vorschlag, der im Ausschuss gefasst wurde, zu halten und den Ersatz durch Dr. Jekels fallen zu lassen.
Ich bedaure, mir sobald widersprochen zu haben, aber. Ich hoffe Sie werden zugeben, dass diese Entscheidung die einzig korrekte ist.
Herzlich.
Ihr
[1] Federn, Paul (1871 – 1950) Dr. med., Vizepräsident der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (und damit offizieller Stellvertreter Freuds) von 1924 bis zur Auflösung der WPV durch die Nationalsozialisten 1938. Der Stimme Federns kam also nach der von Freud das größte Gewicht zu.
[2] Martin Wolkerstorfer ist klinischer Psychologe in Salzburg und schrieb 1984 eine Dissertation Über Wilhelm Reich: „Das Erkenntnismodell Wilhelm Reichs“.
[3] Jones, Ernest (1897-1958) Dr. med., Psychoanalytiker und offizieller Biograph Freuds: ‚Das Leben und Werk von Sigmund Freud“. 3 Bde., Bern 1974.
[4] You see, it happened onceor twice that I feil in love with a patent. Then I was frank about it. I stopped the treatment and I let the thing cool off. Then we decided either yes or no to go to bed.‘ [‚Sehen Sie, es kam ein- oder zweimal vor, daß ich mich in eine Patientin verliebte. Dann war ich ehrlich. Ich brach die Behandlung ab und ließ die Sache sich abkühlen. Dann entschieden wir, ob wir miteinander ins Bett gehen wollten oder nIcht.‘] Reich speaks of Freud, New York 1967, S. 95.
[5] Reich speaks of Freud, New York 1967.
[6] Sterba, Richard lebt in den USA. “Reminesces of a Viennese Psychoanalyst”, Wayne State University Press, 1983.
[7] Bibring, Eduard Dr. med., ab 1925 Mitglied der WPV, ab 1929 Leiter der Abteilung für Psychosentherapie am Ambulatorium.
[8] Bibring, Grete, geb. Lehner, Dr. med., ab 1925 Mitglied der WPV, gestorben 1977.
[9] Die Widmung lautet: „Herrn Doktor Paul Federn in Dankbarkeit überreicht vom Verfasser und findet sich in «Der triebhafte Charakter, Internationaler psychoanalytischer Verlag, Wien 1925.
[10] Fotokopie des Brieforiginals im Anhang. By permission Sigmund Freud Copyrights.
[11] Die Tatsachen legen nahe, daß Reich nicht paranoid war, wenn er meinte, daß Federn seinen Aufstieg in das Exekutivkomitee verhinderte. 1924 wurde Reich zuerst von einem Votum des Komitees zum zweiten Sekretär gewählt. Dann aber überredete offensichtlich Federn In einem persönlichen Gespräch Freud, sich gegen die Wahl des
Komitees zu stellen und stattdessen Jokl zum zweiten Sekretär zu ernennen.“ Myron R. Sharaf: Fury on Earth. A Biography of Wilhelm Reich. St. Martin’s, New York, 1983, S. 83. (Übersetzung: Martin Wolkerstorfer)
[12] Fotokopie des Brieforiginals Im Anhang. By permission Sigmund Freud Copyrights.
[13] Freud litt seit 1923 (Diagnose und erste Operation) an Kieferkrebs. Darüber äußert sich Reich mehrfach in „Reich Speaks of Freud‘, New York 1967.
[14] Transkription einer Abschrift von Ernst Federn, orthografisch korrigiert.
[15] Ukas, m. (russ.), Erlaß, Befehl, Vorschrift.
[16] Demgegenüber heißt es in einem Brief, den Reich vor dem Kongreß in Luzern erhielt: ‚Der Verlag will zum Kongress (sic) einen Kalender mit einem Mitgliederverzeichnis der Psychoanalytischen Vereinigung herausbringen. Die Situation läßt es nun dringend geboten erscheinen, daß Ihr Name im Verzeichnis der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft nicht enthalten ist.‘ (Hervorhebung von Martin Wolkerstorfer). Eine andere Begründung wurde nie gegeben. „Der Ausschluß Wilhelm Reichs aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung“. In: Zeitschrift für politische Psychologie und Sexualökonomie, Band 2, 1935, S. 56.
[17] Transkription einer Abschrift von Ernst Federn, orthografisch korrigiert
[18] Bernfeld, Siegfried (1892 – 1953) Dr. phil., Pädagoge.
[19] Waelder, Robert (1900 – 1967) Dr. phil., studierte physik. Chemie, ab 1922 Mitglied der WPV.
[20] Nunberg, Herman (1884 – 1970) Dr. med., bedeutender Psychoanalytiker.
[21] Ferenczi, Sandor (1873 – 1933) Dr. med., Gründer der Ungarischen Psychoanalytischen Vereinigung.
[22] Abraham Karl. (1877 – 1925) Dr. med., erster Psychoanalytiker in Deutschland.
[23] Schur, Max Dr. med., Arzt Freuds, Verfasser der Freud-Biografie: ‚Sigmund Freud.
Leben und Sterben.“ Frankfurt, 1973.
[24] Paul Federn verfaßte bedeutende Arbeiten zur Psychoanalyse von Psychosen.
[25] Hug-Hellmuth, Hermine von (1871 – 1924), Lehrerin und Laienanalytikerin.
[26] Wolfgang Huber: Psychoanalyse In Österreich seit 1933. Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann Instituts, Salzburg, 1977
[27] lsakower, Otto (1900 – 1972), Dr. med., Psychoanalytiker. In seinem Nachlaß wurden Aufzeichnungen über das Seminar für Psychoanalytische Technik gefunden.
[28] Die Rede ist von Jenö Harnik, Dr. med., der 1926 als Dozent an der Lehranstalt des Berliner Psychoanalytischen Institutes arbeitete.
[29] IX. Internationaler Ärztekongreß für Psychotherapie, 2. – 4.10. 1937 in Kopenhagen.
[30] Groß Otto (1877 – 1919) Dr. med., Psychoanalytiker, Assistent bei Kraepelin.
[31] Tausk, Viktor (1875 – 1919) Dr. jur., Rechtsanwalt und Journalist, Psychoanalytiker. Beging Selbstmord.
[32] Hodann. Max (1894 – 1946) Dr. med., Sexualpädagoge, bedeutender Sexualwissenschafter. „A History of Modern Morals“, London, 1937.
[33] Hirschfeld, Magnus (1868 – 1935) Dr. med., Sexualforscher, Gründer des ersten sexualpsychologischen Instituts der Welt in Berlin 1918.
[34] Hoffer, Willi (1897 – 1967) Dr. med. et phil.
[35] Mit Van de Velde setzt sich Reich kritisch auseinander: Rezension von Van de Velde, Th.: „Die Abneigung in der Ehe“, ‚Die Erotik in der Ehe“. Int. Ztschr. Psa. XIV, S. 534 ff., 1928. ‚Van de Veldes Vollkommene Ehe‘ … Belspiel(e), wie die Probleme sexueller und seelischer Hygiene nicht angefaßt werden sollten.“ Die Funktion des Orgasmus. Die Entdeckung des Orgon. 1942. Fischer 1972, S. 299. Vgl. auch die Rezension von Karen Hornay in Int. Ztschr. Psa. XIV, S. 333f., 1928.
[36] Wittels, Fritz (1880 – 1950) Psychoanalytiker, Neffe von Isidor Sadger. 1910 – 1925 als Anhänger Stekels aus der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung ausgetreten.
[37] „Das Lebendige äußert sich zentral in der genitalen Sexualitätsfunktion. Dem verdankt das Leben seine Existenz und Fortpflanzung. Eine Gesellschaft von Lebewesen, die die wesentlichste Äußerung dieser Funktion geächtet und unbewußt gemacht hat, ist außerstande, die Lebensfunktionen rational zu lenken; denn sie kommen als verzerrte Äußerungen der Pornographie zum Ausdruck.“ W. Reich, Die Entdeckung des Orgons II. Der Krebs. Fischer, Frankfurt, 1976, S. 35.
[38] Grethe Hott. Vgl. Sharaf, Myron: Fury on Earth, 1983, S. 23f.
[39] Reik, Theodor (1888 – 1966), Psychologe und bedeutender Psychoanalytiker.
[40] Sharaf, Myron R. Dr. phil., Schüler und Biograf Reichs. Furyon Earth. A Biography of Wilhelm Reich. St. Martin’s, New York, 1983 und Andre Deutsch, London, 1983.
[41] Annie Reich (geb. 1903), geb. Pink, erste Ehefrau Reichs, Psychoanalytikerin. Heiratete später Thomas Rubinstein.
[42]Rubinstein, Thomas, Mitglied der kurzlebigen Kernsky-Regierung, Russland 1917. – Reich hatte persönlich Kontakt mit Trotzki In Oslo. Vgl. Sharaf, S. 232.
[43] Eva Reich (geb. 1924) Dr. med., erste Tochter Reichs.
[44] Lore Reich (geb. 1928), zweite Tochter Reichs.
[45] Montessori-Kindergarten
[46] Bornstein, Berta, Psychoanalytikerin. Eva Reich wurde von ihr als Kind analysiert. Vgl. Sharaf, S. 248 – 252.
[47] Martha Freud, geb. Bernays (1861 – 1950), Ehefrau Freuds.
[48] Klein, Melanie (1882 – 1960). Bedeutende Psychoanalytikerin. Mitbegründerin der Kinderanalyse.
[49) Weiss, Eduardo (1889 – 1970) Dr. med., Gründer der Italienischen Psychoanalytischen Vereinigung.
[50] Jekels, Ludwig (1867 – 1954) Dr. med., erste Psychoanalytiker Polens.
[51] Deutsch, Helene Dr. med., 1924 – 1935 Direktorin des psychoanalytischen Instituts, Wien.
[52] Rado Sandor, Analytiker Reichs 1931. Vgl. Sharaf, S. 193 f.
[53] Eissler, Kurt R. Dr. med., Leiter des Sigmund Freud Archivs in den USA.
[54] ‚Wir werden auch sehr wahrscheinlich genötigt sein, in der Massenanwendung unserer Therapie das reine Gold der Analyse reichlich mit dem Kupfer der direkten Suggestion zu legieren, …“ Freud, Sigmund: Gesammelte Werke XII, S. 193
[55] Fenichel, Otto (1897 – 1946) Dr. med., Psychoanalytiker.
[56] Modju: Ein von Reich entwickeltes Kunstwort, bestehend aus MOcenigo und DJUgaschwili (urspr. Name von Stalin). Zuerst als Bezeichnung für sozial destruktiv agierende Charakterneurosen verwendet, die sich vorwiegend durch Intrigen, Bespitzeln, Verrat und Mord behaupten. Später von Reich als Schimpfwort verwendet.