30 Mai
Bukumatula
James Strick:
Bericht zur Sommerkonferenz in ORGONON vom 23. bis 27. Juli 1990 (Originaltitel: „The Voice of Wilhelm Reich“; Obersetzung: Wolfram Ratz).
Diese, in diesem Jahr zum elften Mal abgehaltene Konferenz unter der Patenschaft des „Wilhelm Reich Infant Trust Fund“ in ORGONON, war eine bisher einmalige Gelegenheit, Original-Tonbandaufnahmen aus dem Wilhelm Reich-Archiv zu studieren. Präsentiert wurde eine Auswahl von Vorträgen, die Wilhelm Reich anläßlich von Seminaren, Arbeitstreffen, etc. gehalten hatte. Auszüge davon waren zum Teil auch in den vorangegangenen Jahren vorgestellt worden; diesmal war es aber das erste Mal seit vierzig Jahren, daß fünf Tage lang fast ausschließlich Wilhelm Reich „vortrug“.
Die etwa dreißig Teilnehmer der Konferenz setzten sich hauptsächlich aus Ärzten, Pädagogen und Sozialarbeitern zusammen, die zum überwiegenden Teil aus den USA und aus Europa angereist kamen. Auch ein ehemaliger Mitarbeiter Wilhelm Reichs, Dr. Chester Raphael, nahm an dieser Tagung teil. Aufgrund seiner persönlichen Erinnerungen konnte er eine Menge wertvoller Ergänzungen in diese Veranstaltung einbringen. Der erste Tag war den Themen „über die Bedeutung der Methode in der wissenschaftlichen Forschung“ und „Die Entdeckung der Panzerung“ gewidmet.
Die Tonbandaufzeichnungen stammten von einem Seminar, das Reich für orgonomisch ausgebildete Ärzte hielt. Bevor er die Teilnehmer zur Diskussion von ganz spezifischen Fällen aufforderte, hielt er einen Vortrag zur „Theorie von wissenschaftlichen Forschungsmethoden“ wobei er mit Immanuel Kant begann, von dem er sagte, daß er der erste war, der das „Forschen erforschte“. Später, in Anspielung an die Arbeiten Einsteins meinte Reich: „Sie arbeiten mit Logik, aber sie wissen nicht, wie diese Logik zustande kommt“. Reich zeichnete seinen Weg -beginnend von seiner Zeit als Psychoanalytiker auf, der ihn zu seiner Forschungsmethode des „Orgonomischen Funktionalismus“ führte. Die Psychoanalyse bezeichnete er als wirkungslos, weil die Patienten „abgeschossen“ wurden; es war die Arbeit mit „toten Katzen, mit Leichen“. Das veranlaßte Reich immer mehr, weiter in die „Abwehr“ vorzudringen, bis sich auch der Ausdruck von Gefühlen einstellte.
Als ein Teilnehmer die Frage stellte: „So war eigentlich das, was Sie bewegte, die Panzerung des Patienten, die in Ihnen eine motorische Unruhe erzeugte und Sie veranlaßte dort nachzustoßen?“, stimmte Reich sofort zu. Reich weiter: „Bei jeder Art von Aktivität verhält es sich so, wie wenn eine Amöbe von einem Bion angezogen wird. Zuerst sieht man die Bewegung der Amöbe und dann beginnt sich auch das Bion zu bewegen“. Ein derartiger Gesprächsaustausch war typisch für das lebendige „Geben und Nehmen“ zwischen Reich und seinen Studenten. Das half mir auch Reichs besondere Anziehungskraft als Vortragenden zu verstehen: Es war der Gebrauch von graphischen Darstellungen und von Metaphern, die, in sehr einfacher Sprache vorgebracht, selbst schwierigste technische Ableitungen leicht verständlich machten.
Nicht minder beeindruckend war die direkte Art, in der Reich seine Schüler auf deren Fehler hinzuweisen gewohnt war. Man konnte ihn immer wieder sagen hören: „Warum stellen Sie diese Frage, das gehört nicht hierher“. Oder: „Das ist nur Geschwätz, warum weichen Sie aus?“ Er zögerte nicht den Zuhörern nahezulegen, die Motive für deren Fragen beständig zu hinterfragen; insbesondere, da es in der Natur der Sache lag, daß seine Arbeiten viele Menschen emotional irritierte und die Tendenz, den zentralen Aussagen – etwa über die Sexualität von Kindern und Erwachsenen – auszuweichen groß war. Zum Beispiel herrschte er einen Teilnehmer an:
„Sie haben mich gänzlich mißverstanden!“ – Gleichzeitig aber ermuntert er ihn: „Freuen Sie sich Ihren Fehler zu erkennen, anstatt den „Besserwisser“ zu spielen. Ich möchte, daß sich alle diesen Begriff einprägen, er gefällt mir ausnehmend gut. Ein Besserwisser ist jemand, der alles über Nichts weiß.“
Als die Umstände, die zu einer „emotionalen Panzerung“ führen könnten besprochen wurden, bezog sich Reich auf ein Diagramm (s. Seite 65, „Ether, God and Devil“, Strauss & Giroux, 1973) das er auf eine Tafel zeichnete. Der Prozeß beginne mit dem Ausdruck von bestimmten Wünschen und Bedürfnissen wie zum Beispiel: Das Kind möchte spielen, der Vater fordert es jedoch auf ruhig sitzenzubleiben; es möchte etwas Neues in seiner Umwelt erforschen aber die Mutter gibt ihm dafür einen Klaps.- Der kleine, zur Durchsetzung seiner Bedürfnisse unfähige Organismus reagiert darauf mit Rückzug; er wird ruhelos und/oder furchtsam.
Die Antwort darauf, so Reich, ist „dieses verdammte Hindernis aus dem Weg zu räumen“; die ohnmächtige Reaktion I darauf ist Zorn, Wut. (Anmerkung des Übersetzers lt. Wörterbuch: „rage“ = auch „Sucht“)
„Dieser Vorgang wiederholt sich immerfort; wenn der Organismus dies nicht zu vermeiden imstande ist und keinen anderen Ausweg finden kann, wird der ursprüngliche Impuls verstärkt, was zu Gewalttätigkeit und zu Destruktivität führt. Soweit ist dieser Prozeß ganz natürlich. Es gibt ihn auch überall in der Natur … Die Hindernisse außerhalb (des Organismus) sind natürlich, sie sind überhaupt nicht neurotisch.“
In der Diskussion hebt Reich hervor, daß das Kind, wenn es sich zu diesem Zeitpunkt entsprechend aufzulehnen wüsste, nicht neurotisch reagierte. Erst dann, wenn das Kind seine Wut zurückzuhalten beginnt, begänne auch der Prozeß der Panzerung. Der zweite Tag der Konferenz war einer Tagung des „Orgone Infant Research Center“ (OIRC) aus dem Jahr 1950 gewidmet.
Aufgezeichnet war ein Gespräch mit den Eltern eines supervidierten Kindes (s. „Children of the Future“, Seite 89 bis 113), die Präsentation der Untersuchungsergebnisse und eine daran anschließende Diskussion. Zusätzlich zu dem später veröffentlichten Material gab es eine Reihe interessanter Aussagen. Zum Beispiel, was die Depression der Mutter dieses Kindes betraf:
„Wenn sich die Mutter angespannt fühlte, saugte das Kind kaum an der Brust und zeigte sich unzufrieden. Das Saugen ist kein mechanischer Prozeß zur Flüssigkeitsaufnahme. Wir haben stets angenommen, daß sich die Qualität der Milch verändern würde, wenn die Mutter depressiv ist….
Nur wissen wir nicht, was das heißt: ’sauer‘. Ich bin aber dabei, die Übersäuerung des Magens mit der Depression in Zusammenhang zu bringen. Wenn man sagt, daß jemand emotional ’sauer“ reagiert, dann entspricht dies tatsächlich einer physischen Realität im Körper dieser Person.“
Dieses Kind bekam immer wieder eine Bronchitis. Reich meinte, daß die meisten Ärzte dabei nichts Ungewöhnliches finden würden:
„‚Warum sollte sich das Kind nicht verkühlen können? Wir versuchen jedoch diesen Tatsachen gegenüber eine offene Meinung zu bewahren… Wenn wir von einer orgonomischbiophysischen Einheit von Mutter und Kind ausgehen, dann können wir die Verkühlung des Kindes nicht von der Depression der Mutter trennen. Ich bin geneigt, auch eine Verkühlung als Störung des bioenergetischen Gleichgewichts zu sehen. Sich solche Fragen zu stellen finde ich von großer Bedeutung!“
Die vielleicht wichtigste Aussage Reichs war, daß es dafür keinen mechanistischen Ansatz zur Problemlösung geben könne. Entscheidend sei die Qualität des Kontaktes, der von den Eltern, vom Arzt etc., ausgeht.- Als das Kind untersucht wurde, begann es heftig zu weinen; die Brust war dabei hochgezogen. Reich legte seine Hände an beide Seiten des Brustkorbes und strich sehr behutsam über die interkostalen Muskeln (siehe „Children of the Future“, Seite 107).
Dazu Reich:
„Das Kind gab seine Abwehr auf, es urinierte und schien erleichtert. Ich war überrascht. Ich hatte so etwas noch nie zuvor beobachtet. Meine Tochter Eva fragte: ‚Was hast Du jetzt gemacht?“ Ich antwortete: ‚Was macht ein Maler, wenn er eine Landschaft malt? Malt er einen blauen und daneben einen grünen Fleck und dann einen weißen Strich? Nein. Er malt einfach. Natürlich sah ich, daß der Brustkorb hochgezogen war.“
Bald darauf begann das Kind wieder zu weinen. Reich versuchte erneut die Brust zu mobilisieren. Nach einiger Zeit erfolglosen Bemühens meinte er: „Ich kann diese Panzerung nicht auflösen.“ Und zu den Studenten: „Da kann man nichts weiter machen. Die Mutter müsste daran arbeiten.“ Und dann zum weinenden Kind: „Ja, sei zornig! Sei zornig!'“
Das Kind antwortete mit einem kräftigen, tiefen Schluchzen; nach einiger Zeit beruhigte es sich. „Nun, was habe ich gemacht? … es hat nichts mit Quantität zu tun …. es hat damit zu tun, auf welche Art und Weise mit dem Kind Kontakt hergestellt werden kann .. Ich bin es leid, wiederholen zu müssen, aber: ich will nicht, daß jetzt Psychologen, Ärzte, etc., hergehen und mechanisch irgendwo herumzudrücken beginnen…“
Reich hob hervor, wie wichtig es wäre, daß Eltern diese Art der emotionalen „Ersten Hilfe“ beherrschten.- Zu den Aussagen von Dr. Singer, daß in der Gemeinde, in der er tätig ist, von etwa einhundert Müttern, die er interviewte, lediglich eine ganz geringe Zahl für eine derartige Kontaktfähigkeit in Frage kommen würde, meinte Reich: „Diesem Umstand muß ganz besondere Beachtung geschenkt werden!“
An diesem Tag präsentierte auch Dr. Chester Raphael seine Erfahrungen mit dem Einsatz des Orgonakkumulators, die im „Orgone Energy Bulletin“ (Vol. 3, Seite 90-98) veröffentlicht wurden.
Der dritte Tag der Konferenz stand unter dem Thema: „Arbeit und Organisation „- Reich erklärte wie die „Wilhelm Reich Foundation“ und deren Nebenorganisationen wie das „ORIC“, die „Orgone Institute Press“ und der „Orgon Institute Research Fund“, sowie das davon getrennte „Orgone Institut“ zueinander in Beziehung stehen und warum diese Organisationen in dieser Form aufgebaut waren. Ausführlich ging er auch darauf ein, was er von seinen Mitarbeitern erwarte und erklärte dafür auch seine Gründe. Da viele Autoren Reichs Verhalten als rigid und autoritär beschrieben, stieß dieses Dokument auf großes Interesse.
In diesem Zusammenhang war es mehr als beeindruckend, Reich dazu in seinen eigenen Worten zu hören. Der bestimmende, unbeugsame Ton seiner Stimme und wie er sich anderen Menschen gegenüber verhielt, wurde von diesen Autoren offenbar heraufbeschworen. Dieses Bild, das sie von Reich zeichneten, war in dem was wir hörten, einfach nicht zu entdecken. Was zu hören war, war die lebendige Stimme eines Mannes, der von der Ernsthaftigkeit seiner Arbeit überzeugt war und der klar und rational argumentierte:
„Solange man mit dem Orgone Institut verbunden ist, gibt es kein freies Agieren; man kann nicht tun, was einem beliebt. Wenn jemand auf eigene Faust aktiv werden will, dann muß man sich vom Orgone Institut trennen. Warum? Wenn man zum Beispiel im Krieg bei einer Armeeeinheit dient und Menschenleben auf dem Spiel stehen, dann hat das Prinzip der Selbstregulation keine Bedeutung mehr …. Es gibt ein allem zugrundeliegendes natürliches Gesetz, das ich in der Arbeit zur orgonomischen Gesetzmäßigkeit beschrieb; und dieses Gesetz bindet einem die Hände …. die größte Notwendigkeit besteht darin, die emotionale Pest zu bekämpfen. Das heißt, daß wir nicht wie eine Gruppe freier Menschen organisiert sind, sondern eher wie ein Militärstab …. Es ist nicht meine persönliche Wahl, aber ich stehe seit dreißig Jahren im Krieg.
Weiters hob Reich hervor, daß das Orgone Institut eine gesetzlich registrierte Einrichtung sei, die als Synonym für ihn selbst stehe und das von allen anderen Organisationen, an denen Mitarbeiter, Studenten, etc. teilhätten, getrennt gesehen werden müsste; d.h. daß nur er das Orgone Institut war: „Niemand hier hat das Recht auf Mitbestimmung. Das Orgone Institut bin ich. Diese Aussage gefällt Ihnen jetzt bestimmt nicht. Wenn ich es aber nicht auf diese Weise so gehalten hätte, hätten wir schon viele Male zusperren können …. Auch ein Angestellter einer Klinik oder in einem Labor ist ein Assistent, ein Mitarbeiter für eine ganz bestimmte Aufgabe.
Reich war an der Anteilnahme der amerikanischen Bevölkerung an der Demokratie, insbesondere bei Wahlen sehr interessiert. Er meinte, daß Menschen, die nur ihre Stimme abgeben und nicht selbst in die reale Arbeit eingebunden wären, nicht verantwortungsvoll handeln könnten. Als Beispiel führte er das Schicksal Hamiltons an, der aus seiner eigenen, von ihm selbst gegründeten Schule, hinausgeworfen wurde:
„Ich weiß aus meiner langjährigen Erfahrung, daß der „Kleine Mann“ allein mit seinem Stimmrecht alles übernehmen kann. Das widerfuhr auch Hamilton, dem Erfinder der Television. Einige wenige, politisch schlau taktierende Mitarbeiter übernahmen dann sein Lebenswerk …. Man kann nur dann seine Stimme abgeben, wenn man auch Verantwortung dafür übernimmt, was man selber tut, durch die eigene Arbeit. Wir können mitbestimmen, indem wir die Hand heben. Aber das Händeheben allein hat nichts mit verantwortungsvoller Demokratie zu tun. Es fehlen dazu all die Mühen und Sorgen die damit verbunden sind.
Jede Art formaler Demokratie muß deshalb scheitern …. Frau Dr. Mc Donald zum Beispiel arbeitet hier in meinem Labor als Assistentin. Wenn sie mich verlassen und ihr eigenes Institut irgendwo anders gründen will, das auf unserer Linie liegt, dann haben wir es mit der Entwicklung einer neuen Funktion zu tun. Wenn sie jedoch eine Entdeckung macht, die sich gegen mich richtet, dann muß sie alleine dafür kämpfen. Sie muß das unterstützen, was aus ihrer eigenen Arbeit für richtig hält. Man kann nicht darüber abstimmen, ob eine Bionkultur eingefroren werden soll oder nicht. Das ist ganz einfach Arbeit die getan werden muß!
Man muß auf diejenigen, die am wenigsten wissen und am meisten behaupten, die lediglich auf Macht und Ehre aus sind, sehr aufpassen. Das ist die Praxis der Stalinisten; sie sind die Zerstörer der menschlichen Gesellschaft.“
Reich erklärte dann, wie die verschiedenen Organisationen finanziert würden: „Die Kosten für die ‚Wilhelm Reich Foundation‘ als Dachorganisation und alle anderen gemeinnützigen Einrichtungen werden ausschließlich durch private Spenden getragen. Sämtliche Einnahmen fließen den Tochterorganisationen zu.- Gibt es dazu noch irgendwelche Fragen? Niemand stellte weitere Fragen. Das war signifikant, denn später, gegen Ende der Tagung, brach Reich eine Diskussion vom Zaun, in der er von Gerüchten sprach, daß Beiträge von Ärzten an den „Orgone Research Fund“ eigentlich Zahlungen waren, die in seine eigene Tasche flössen und daß eine Reihe von Ärzten darüber Bescheid wüsste.
Daß niemand dazu Stellung bezog impliziert, daß sie annahmen, daß dieses Gerücht stimmen würde. Er war sehr direkt in seiner Antwort auf dieses Verhalten: „Wir erwarten keine weiteren Zahlungen von Ihnen. Ich werde keine Unterstützung, die nicht aus freien Stücken kommt, akzeptieren. Ich möchte, daß Sie zur Kenntnis nehmen, daß wir gänzlich unabhängig von Ihren Spenden arbeiten. Ich möchte solange auf Ihre Beiträge verzichten, bis diese Gerüchte nicht ausgeräumt sind.“
Dann beginnt Reich die anwesenden Ärzte einzeln zu befragen: „Was haben Sie sich dabei gedacht?“ „Warum haben Sie nichts gegen dieses Gerücht unternommen?“, „Wofür haben Sie Geld gespendet?“ „Was meinten Sie damit unterstützen zu können?“, „War das Ihre eigene freie Entscheidung?“. Nach einiger Zeit des Schweigens kamen Antworten wie: „Ich hatte das Gefühl, Sie auszunützen“ oder „Ich dachte, Sie benötigten das Geld für Investitionen in Ihrem Labor“, etc. Niemand konnte jedoch klar ein Motiv zur Unterstützung definieren. Keiner schien zu wissen, was mit den Spenden geschah.
Ein Teilnehmer der diesjährigen Konferenz, Dr. Stuart Asher, gab dazu eine, meiner Meinung nach sehr treffende Analyse, was Reich damit zu erklären versuchte: Mit dem Spenden verhält es sich so, wie mit der Stimmabgabe bei einer Wahl. Man meint, daß das Spenden, ebenso wie das Wählen, die alleinige Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten sei. Der ganzheitliche Ansatz Reichs war klar und sein Beharren, hinter die Kulissen zu schauen war bewundernswert. Es war eine beeindruckende Demonstration davon, was Reich „praktische soziale Psychiatrie“ zu nennen pflegte.
Am vierten Tag wurde eine Tonbandaufzeichnung vom 8. März 1952 gespielt, die sehr eindrucksvoll die Stimmung nach dem ORANUR – Experiment vermitteln half.
Reich verwendete einen Geigerzähler, um die ungewöhnlich hohen Aktivitätswerte im Laborgebäude zu messen. Den meisten Teilnehmern der Konferenz waren Reichs Berichte von „The Blackening Rocks“ (Orgone Energy Bulletin, Vol. 5, pp. 28-59) bekannt.- Es war das Klicken des Geigerzählers zu hören, als er von 50 cpm auf 2000 cpm kletterte und dann auf 20000 cpm über einem gekachelten Arbeitstisch im Labor. Es war ein sehr beeindruckendes Erlebnis; man fühlte förmlich die Bedrohung einer verseuchten Umgebung, und das auf eine Art, die Bücher alleine nicht zu vermitteln vermögen.
Reich:
Das Gestein gibt sekundäre nukleare Strahlung ab. Die primäre Orgonenergie der Atmosphäre kämpft mit der Sekundärstrahlung des Gesteins. Das verursacht Krankheitssymptome. Die Prozesse unterliegen der Selbstregulation und können nicht aufgehalten werden … Trotz aller Schwierigkeiten übernehme ich die persönliche Verantwortung weiterhin hier anwesend zu bleiben, um die Auswirkungen auf den Organismus zu erforschen.
Eine Anzahl von Mitarbeitern konnte Reichs Beobachtungen verifizieren. Bei einem Arbeitstreffen am 29. März 1952 waren folgende Mitarbeiter Reichs anwesend: Simeon und Helen Tropp, Lois Wyvell, Michael Silvert, Myron Sharaf, Tom Ross und Ilse Ollendorf. Reich eröffnete das Meeting:
„Ich persönlich glaube, daß alles gut ausgehen wird. Ich habe mich selbst seit dem 5. Jänner 1951 extrem starkem ORANUR ausgesetzt; ich habe ständig hier gewohnt und ich lebe noch immer ….“
Er beschreibt die allgemeinen Auswirkungen auf den ausgesetzten Organismus: anfänglicher Schock und Lähmung, gefolgt von:“einem verzweifelten Kampf des Organismus gegen die Störung. Wir nennen das DOR-Reaktion. Darauf folgt die Einstellungsphase auf die Situation und eine langsame Anpassung an die Erfordernisse, auf einem höheren Energieniveau funktionieren zu müssen. Das Energieniveau steigt beständig; ich weiß nicht, wann dieser Vorgang zum Stillstand kommen wird.“
Am letzten Konferenztag war eine Aufzeichnung des Abschlußvortrages von der 1950 abgehaltenen „International Orgonomic Conference“ zu hören, in der Reich über „Die Wurzeln der Menschheit in der Natur“ sprach. (Eine erweiterte Zusammenfassung findet sich in Kapitel 2 und 8 von „Cosmic Superimposition“. Der gesamte Text des Vortrages wird auch in der demnächst erscheinenden Ausgabe der Publikation des ‚Wilhelm Reich Infant Trust Funds-, „Orgonomic Functionalism“ nachzulesen sein.) In diesem Vortrag präsentiert Reich seine Entdeckungen zur Bedeutung des „Ringes“ um die Aurora borealis und das allgemeine Funktionsprinzip, das zur Bildung von Galaxien und Wirbelstürmen führt.
Reich sprach leidenschaftlich und mit Nachdruck und meine Aufmerksamkeit ermüdete auch während sehr technischer astronomischer Erklärungen nicht. Während der Frage- und Antwortstunde war er sehr lebendig. Er argumentierte mit profunden Aussagen, wobei er immer wieder auf die Natur der sich überlagernden Orgonströme hinwies. Seine Schlußbemerkungen waren sehr bewegend; ich möchte diesen Bericht von der Sommertagung 1990 in ORGONON auch mit den Worten Reichs aus dem Jahr 1950 beenden:
„Sie werden jetzt nach Hause gehen. Ich hoffe, daß Sie zumindest eines mitbekommen haben: Ein wenig mehr an Mut und an Überzeugung, daß Sie nicht alleine sind … Wir brauchen einiges an Durchsetzungskraft und Härte, an rationaler Härte, um zu verteidigen, was wir für richtig halten.
Wenn Sie in Ihrer Meinung gefestigt sind, wird jeder von Ihnen ein eigenes Zentrum bilden. Damit begeben Sie sich nicht unbedingt in eine sehr angenehme Lage. Es verlangt eine Menge an Demut und Verantwortung…“