19 Aug
Bukumatula 2/2013
Neues aus den Reich-Archiven
von
Thomas Harms:
Unter dem Titel „Wilhelm Reich reloaded – Neues aus den Reich-Archiven“ fand vom 31. Mai bis 2. Juni 2013 in Berlin in Kooperation von DGK und Wilhelm Reich Gesellschaft eine Fachtagung zu den Inhalten des 2007 geöffneten Wilhelm Reich-Archivs in Boston statt.
Rund 100 Gäste aus dem In- und Ausland waren gekommen, um von den Referenten zu hören, was in Reichs wissenschaftlichem Nachlass an neuen Erkenntnissen zu finden ist. Über mehrere Jahrzehnte nach Reichs Tod war immer wieder die Vermutung geäußert worden, dass in den Archiven noch eine große Menge unveröffentlichter persönlicher und wissenschaftlicher Schriften zu finden wären.
In seinem ersten Referat sprach der amerikanische Reich-Experte Philipp Benett über seine Archivforschungen, die sich mit Reichs soziologischem Konzept der Arbeitsdemokratie auseinandersetzen. In einem zweiten Beitrag untersuchte Bennett die persönlichen und wissenschaftlichen Folgen der Inhaftierung Wilhelm Reichs als illegaler Ausländer in den USA.
Der Berliner Psychoanalytiker Andreas Peglau sprach über seine jahrelangen Archivforschungen zu Reichs sexualpolitischen Aktivitäten in der Zeit des aufstrebenden Nationalsozialismus. Andreas Peglau konnte aufzeigen, dass die sexualpolitische Bewegung der 30er Jahre eine deutlich größere Verbreitung hatte, als dies aus den Schriften Reichs selbst hervorgeht.
Der Körperpsychotherapeut Manfred Thielen zeigte in seinem Referat auf, wo Reichs Anfänge in der Entwicklung der körperorientierten Psychotherapie waren. Interessanterweise ließen sich keine Patientenberichte in den Archiven finden. Zudem fehlen Reichs Tagebücher aus seiner skandinavischen Zeit. Bis heute ist ungeklärt, wo die Schriften verblieben sind. Besonders aufschlussreich ist der Briefwechsel mit seiner damaligen Partnerin Elsa Lindenberg, die Reichs starke Beeinflussung durch die praktizierende Gindler-Schülerin aufzeigen.
Insofern, so das Fazit von Manfred Thielen, gibt es zwar eine Reihe von interessanten Dokumenten, aber kaum grundsätzlich neue Erkenntnisse zur Geschichte der Körperpsychotherapie, die sich in den Bostoner Reich-Archiven finden ließen.
Thomas Harms sprach in seinem Vortrag über „Wilhelm Reich und das Zentrum für Orgonomische Säuglingsforschung“ (OIRC). In seinen Ausführungen beschrieb er – auf Basis der Archivdokumente – die genaue Struktur, die konkreten Arbeitsschwerpunkte und den Umfang von Reichs Engagement im Bereich der Säuglingsforschungen. Thomas Harms versuchte genauer zu erklären, warum das OIRC ab 1951 nicht fortgeführt wurde. Dabei erwähnte er, dass Reich vor allem von der fachlichen Qualität seiner Mitarbeiter/innen enttäuscht war und ihnen nicht zutraute, eigenständig die Forschungen mit den Säuglingen und Eltern fortzuführen.
Das Programm wurde vervollständigt durch Prof. Bernd Senf, der am Freitagabend in das Gesamtwerk von Reich einführte. Phil Bennett beschäftigte sich am Sonntag in einem Workshop mit den „Entwicklungen der Orgonomie in den USA“.
Besonderes Highlight der rundum gelungenen Tagung war die deutsche Erstaufführung des Reich-Spielfilms „Der Fall Wilhelm Reich“ im Beisein des Regisseurs Antonin Svoboda.
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Alle Audiomitschnitte und Folien der Tagung finden sich auf der Homepage der Wilhelm Reich Gesellschaft unter:
www.wilhelm-reich-gesellschaft.de unter „Aktuelles“.