19 Aug
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Bukumatula 2/2012
Interview mit Tina Lindemann
Beatrix Teichmann-Wirth:
Im Vorzimmerbereich, in den Spiegel geklemmt, da ist ein Foto – Heiko und Tina, beide eine Kamera in der Hand und in verschiedene Richtungen blickend. Tina hat es hier nach Heikos Tod aufgehängt, weil es ausdrückt, was ihre Beziehung beschreibt: eng beisammen und doch mit unterschiedlicher Perspektive. Das erzählt sie mir an einem warmen Sommernachmittag, an dem wir einander treffen, um ein Gespräch über ihre Beziehung zu und ihre Erfahrungen mit Heiko und ihre Arbeit zu führen.
Diese ihre Beziehung zu Heiko ist, so erscheint es mir, eine intensive, einander bereichernde gewesen – und eine komplizierte. Kennengelernt hat Tina Heiko, als ihr Vater sie zu einem Vortrag von Heiko mitgenommen hat und sie dann eine Orgontherapie-Ausbildung bei ihm begann. Sie erzählt, wie sie sich als Probandin zur Verfügung gestellt hat und Erfahrungen ihrer Lebendigkeit in Form von starken Vibrationen und Strömungsempfindungen machte. Heiko hat in dieser Ausbildung, die über vier Jahre ging, sein Wissen und seine Erfahrung weitergegeben, welche er selbst auf seinem Weg gemacht hat – dies sehr praktisch und sehr persönlich gefärbt.
Ihre Beziehung war eine vielschichtige: Tina war Schülerin, Assistentin, Heiko in ihrer Praxis Untermieter, sie war Kollegin und Freundin, Unterstützerin in seinen Krisen, nur ein Liebespaar das waren sie nie.
Im Jahre 2009 gab es dann das Projekt einer gemeinsamen Ausbildungsgruppe in Wien – ebenbürtig, auf Augenhöhe.- Hier wiederholte sich etwas, was ich selbst oftmals in Beziehungen mit charismatischen Männern erlebt habe: Dass es solange gut geht, solange die Frau die unterstützende, lernende, vielleicht bewundernde und assistierende ist und dass dann, wenn Ebenbürtigkeit gelebt werden will, die Beziehung schwierig wird und diese Schwierigkeiten bis zum Kontaktabbruch gehen.- So war es dann auch schwierig. Es war nicht möglich, miteinander genaue Vereinbarungen zu treffen, und Tina begann alleine die Ausbildung zu führen.
Es folgten unangenehme Anschuldigungen – und dennoch schickte ihr Heiko weiterhin Klienten. Was das Fachlich-Sachliche betraf, galt eine Art Nicht-Angriffspakt. Ein Jahr später schickte ihm Tina dann einen langen Brief mit ihrer Sicht der Dinge und gestand darin auch eigene Versäumnisse ein. Ein knappes SMS war die Antwort: „Und was nun?“- Kein weiteres Gespräch folgte, und erst nach Heikos Tod erfuhr Tina, dass er ihren Brief verstanden und sehr geschätzt hat. Das tat gut. Tina spricht über Heiko mit großer Wertschätzung und Dankbarkeit. Heiko fehlt ihr als Lehrer und als Freund.
Als ich sie zum Schluss frage, was das Wichtigste an ihrer Begegnung mit Heiko war, meint sie zuallererst, dass Heiko „nie lieb war“, dass er die Menschen nicht in Ruhe gelassen hat, dass er eine beständige Herausforderung war, den Finger immer auf die wunden Punkte gelegt hat. Seine Neugierde und seine Begeisterungsfähigkeit waren enorm ansteckend; er ermutigte, sich nicht bequem niederzulassen, sondern dem eigenen Gefühl zu vertrauen. Heiko war anstrengend, sehr inspirierend und äußerst geistreich und witzig. Es mag erstaunen, aber er schätzte es, dass sie es wagte, ihn zu kritisieren.
Unser Gespräch war sehr kurzweilig. Dann zu Hause, als ich mich daran machte es zu Papier zu bringen, fiel mir ein Interview*) in die Hände, das Christian Bartuska 2004 mit Heiko geführt hat, und ich entschied mich zu einigen dieser Fragen auch die Tina-Perspektive zu Wort kommen zu lassen.
Beatrix: Wie bist du mit den Arbeiten Wilhelm Reichs in Kontakt gekommen?
Tina: Abgesehen von meinen ersten Erlebnissen als Kind mit dem Orgonakkumulator (ORAC) meines Vaters, bin ich erst während meiner Studienzeit durch Vorträge von Heiko und durch die Orgontherapie-Ausbildung auf Wilhelm Reich gestoßen. Von Reich als Person wusste ich damals noch nicht viel. Ich bin wirklich über die Praxis, also über persönliche Erfahrung von Pulsation und Strömen dazu gekommen – und durch Heikos Begeisterung für die Sache.
Dann aber auch durch meine eigene Erkrankung mit einer Krebsvorstufe und die darauf folgenden Behandlungen bei Heiko und mit dem ORAC, den ich damals von ihm geliehen bekam. Ich war zur Überraschung meiner Ärztin und meiner eigenen sehr schnell wieder „gesund“, und im weiteren Verlauf hat sich meine komplette energetische Reaktionsweise sehr geändert, stabil, bis heute. Die Literatur zu studieren habe ich erst danach so richtig begonnen. Eigentlich bin ich zu allem, was für meine Arbeit von Bedeutung ist über meine eigene Erfahrung gekommen: Über Heiko zur Orgontherapie bzw. zum brasilianischen Schamanismus, den Ilse Korte gelehrt hat und zu dem er mich zum ersten Workshop mitgenommen hat – eher um sie kennenzulernen, als um damit zu arbeiten.
Aber es kam anders. Genauso ging es mir mit der Taoistischen Energiemedizin, als Heiko mit uns die „Spontanen Bewegungen“ zu üben begonnen hat und das Erleben so intensiv war, dass ich mehr wissen wollte.- Meine Kenntnisse über Chinesische Medizin und Akupunktur verdanke ich meinem ehemaligen Chefarzt in meiner orthopädischen Ausbildung. Und „Reconnective Healing“ den Empfindungen, die ich hatte, als Renate Wieser einer kleinen Gruppe den Film „The Living Matrix“ vorgestellt hat.
Ich habe mich dann zwar zum Seminar angemeldet, aber im Grunde ging das schon vorher in meine Arbeit ein, einfach weil sich die Wahrnehmung in meinen Händen sofort intensiviert hat. Mein Weg zur Schulmedizin war im Grunde nicht anders. Ich bin über den Sanitätsdienst dort gelandet. Meine Neugier war geweckt, und dann ging es einfach weiter. Das Gedankengut Reichs ist bis heute Hauptbestandteil meiner Arbeit, und nichts, was ich später dazu gelernt habe, widerspricht dem in den Grundannahmen. Nur die Schwerpunkte bzw. Begrifflichkeiten sind andere.
B: Rund um Heiko hat sich ja ein großes Netzwerk gesponnen, wozu auch du gehörtest. Welche Personen waren, bzw. sind da für dich besonders wichtig?
T: Heike Buhl ist mir als Kollegin und Freundin ganz wichtig; und natürlich die anderen Mitglieder der Wilhelm Reich-Gesellschaft und des WRI. Dann Therapeuten, die Heiko zu Seminaren nach Berlin eingeladen hat wie Myron Sharaf, Richard Blasband, Björn Blumenthal und andere. Ebenso Digne Meller-Marcovicz, die Filmemacherin, und viele, viele andere, ich bekäme sie nie alle zusammen.
Ich habe in den letzten 18 Jahren ziemlich viel Zeit mit Heiko und anderen Menschen an Tischen und in Seminarräumen verbracht, und die Gespräche gingen meist um „Etwas“. Auch wenn viel gescherzt und gelacht wurde, war Heiko oft wieder ganz plötzlich bei einem Thema, das ihm wichtig war, und es gab immer etwas zu lernen. Ich denke, das hat mich eher in seiner Gesamtheit geprägt, als dass einzelne Personen besonderen Einfluss auf mich gehabt hätten.
B: Inwieweit hast du Kontakt zu den Leuten vom Reich-Museum in Orgonon?
T: Ich war 2008 anlässlich der jährlich stattfindenden „Sommerkonferenz“ dort. Mit einigen Teilnehmern habe ich noch Kontakt, besonders mit Phil Bennett, den ich, wie Kevin Hinchey, 2007 in Wien anlässlich der Ausstellung zu Reichs fünfzigstem Todestag im Jüdischen Museum kennen gelernt habe.- Mit den Leuten vom Reich-Museum selbst habe ich zur Zeit keinen Kontakt.
B: Wie war dein Kontakt zu Eva Reich?
T: Als ich meine Ausbildung bei Heiko begann, war Eva Reich leider schon zu krank, um nach Berlin zu kommen. Ich habe natürlich viel von Heiko über sie gehört und auch ihre „Babymassage“ gelernt. Und 2007 habe ich in Wien ihre Tochter Renata anlässlich der Vorführung des Films „Ich bin ein Doktor auf Expedition“ im Hebammenzentrum in Nußdorf kennengelernt.
Bei meinem Aufenthalt in Maine, 2008, hat mich Renata eingeladen in Evas Haus zu übernachten. Ich kam mir etwas seltsam vor, wie eine „Idol-Touristin“, aber Renata war einfach sehr nett, und ich wusste, so schnell komme ich nicht wieder in diese Gegend. Bei meiner Ankunft lag Eva, wie schon seit langem, in ihrem Krankenbett; eine Pflegerin war da, und Eva schlief. Nach einer Weile wurde sie wach. Renata stellte mich vor, und dann begann eine Unterhaltung, die sich hauptsächlich um ihren Vater, um Heiko und um Deutschland drehte. Sie hatte lange kein Deutsch mehr gehört und es schien sie sehr zu beruhigen, dass mit mir so etwas wie eine „nachwachsende Generation“ zu Besuch war. Ich hatte das Gefühl, dass sie am liebsten immer noch weiterarbeiten würde, damit ihre und die Arbeit ihres Vaters nicht verlorengehen.
Zeitweise wirkte sie schon recht verwirrt und wurde schnell müde. Sie erzählte uns wiederholt, was ihr zu einem Bild, das neben ihrem Bett stand, einfiel, auf dem eine ältere Frau und zwei Männer abgebildet waren; alle sahen recht glücklich aus, und sie ließ sich immer neue Varianten einer Geschichte dazu einfallen. Bei aller Krankheit und Erschöpfung strahlte sie jedoch aus jedem Knopfloch, ohne dabei Schmerzen und Sorgen zu überspielen. Sie wirkte auf mich wunderschön und ich kann mir ansatzweise vorstellen, wie sie gewesen sein muss, als sie noch bei vollen Kräften war.
Zwei Wochen später ist sie gestorben. Ich war wieder zurück in Wien und war so betroffen, als hätte ich eine gute Freundin verloren.
B: In der Reichschen Therapie stellt sich ja immer die Frage, welche Grundorientierung besteht, vereinfacht gesagT: Charakter, Emotion, Pulsationsarbeit …. wenn du diesbezüglich deine Arbeit ansiehst, was ist da vorrangig?
T: In der Orgontherapie nach Reich/Lassek ist sicher die Pulsationsarbeit die Basis, zusammen mit den drei verschiedenen energetischen Reaktionstypen, die jeweils in ihrer stärksten Ausprägung mit bestimmten Erkrankungen einhergehen. In der Praxis – und meiner Überzeugung und Erfahrung nach – sind Körper, Geist und Emotionen schlicht nicht zu trennen. Das heißt, die funktionelle Identität, die Reich beschrieben hat, ist immer präsent und eine nicht weg zu denkende Grundlage.
Ich bin keine Psychotherapeutin und auch keine Charakteranalytikerin, aber das Gespräch und mein Wissen um diese Herangehensweise fließen genauso in die Arbeit ein, wie alle anderen Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe und weiter täglich mache. Für mich ist letztlich nicht die Charaktertypisierung oder der Energietyp ausschlaggebend, auch nicht die schulmedizinische Diagnose, sondern die ganz individuelle Konstellation, die jeder Einzelne mitbringt.
Das Ziel der Therapie ist für mich die weitestmögliche Herstellung der Selbstregulation und des freien Energieflusses im Körper, genauso wie der freie Ausdruck der Emotionen, sowie eine Verankerung des Individuums in sich selbst. Die meisten Menschen, die zu mir kommen sind im Grunde durch Erfahrungen in ihrem, meist frühen Erleben sozusagen „außer“ sich. Wenn es gelingt über die körperlichen und energetischen Erfahrungen – und ebenso durch die wiedererlangte Selbstwahrnehmung im Gespräch wieder zu sich zu kommen, ist eine weitere Entwicklung bzw. Heilung meist um Vieles leichter.
B: Wie und bei welchen Patienten setzt du den Orgonakkumulator ein? Wann findest du die Anwendung von Orgon-Decken angebracht und wann kontraindiziert?
T: Ich habe einen Orgonakkumulator in der Praxis und drei andere zum Verleihen an Patienten, die sich entweder keinen leisten können, oder ihn erst ausprobieren möchten. Orgondecken stelle ich selbst her, wenn Patienten eine für zu Hause haben möchten. Grundsätzlich setze ich beides bei Patienten mit einem Mangel an Energie ein, oder bei jenen, die nach entsprechend langer Körpertherapieerfahrung genug „durchlässig“ sind, um mit einer erhöhten Ladung umzugehen.
Das sind insbesondere Patienten mit bestimmten Krebserkrankungen oder Krebsvorstufen. Kontraindiziert sind sowohl Decke als auch ORAC bei Leukämie und Metastasen an bestimmten Stellen, sowie bei Hirntumoren, da es zu Ödemen kommen kann. Relativ kontraindiziert ist beides bei Bluthochdruck, Asthma und akuten Entzündungen.
Da es dazu praktisch keine Studien mit hohen Fallzahlen und zu vielen Erkrankungen auch keine Erfahrungen gibt, ist jede Behandlung eines erkrankten Menschen eine Einzelentscheidung.
Ich habe schon öfters erlebt, dass Menschen mit Kontraindikationen sich selbst und ohne Beratung einen ORAC besorgt und benutzt haben und zuerst, wie zu erwarten war, Nebenwirkungen hatten, aber dann eine deutliche Besserung spürten und erst danach zu mir kamen. Als Ärztin kann ich das natürlich nicht guten Gewissens empfehlen, denn der ORAC wirkt und wirkt stark. Aber wenn jemand auf eigenes Risiko eine Behandlung probiert und Erfolg hat, ist das eine sehr wertvolle Information. Ich freue mich immer über Rückmeldungen, weil ich nur so mit der Zeit zu besseren Prognosen kommen kann.
Ich weiß zwar, dass negative Effekte auftreten können, wenn man in der Nähe eines ORACs ein Fernsehgerät stehen oder Energiesparlampen im Haushalt hat, oder gar ein Röntgengerät im gleichen Haus, aber bei korrekter Aufstellung habe ich bisher keine negativen Berichte erhalten. Gesunde Menschen können den ORAC gefahrlos ausprobieren. Die meisten berichten dann sehr schön, je nach Reaktionstyp, immer über ähnliche Erfahrungen. Menschen, die ohnehin über genug Energie verfügen und eher ein Stauungsproblem haben, hören meist schnell von alleine auf ihn zu benutzen.
Wichtig ist, dass man den Leuten vermittelt, dass nicht „je länger, je besser“ gilt, sondern „solang es sich gut anfühlt“. Für z.B. an Krebs erkrankte Menschen gilt allerdings, dass es eine Weile dauern kann, bis sie überhaupt etwas spüren, da sie erst langsam an ihre Ladungsgrenze kommen und anfangs oft vermeiden, sich überhaupt darauf einzulassen. Meine Patienten mögen ORAC und Orgondecke jedenfalls meist sehr gern und profitieren davon, wenn sie zum Beispiel am Ende der Behandlung, in der Entspannungsphase, noch eine Weile unter der Decke „nachladen“ können. Meine persönlichen Erfahrungen mit dem ORAC waren und sind sehr gut. Was z.B. die Wundheilung angeht, gibt es wohl wenig so Effektives und auch Kostengünstiges wie einen Shooter oder ein Orgon-Kissen. Auch mit diabetischen Ulcera und Decubitus gibt es sehr vielversprechende Erfahrungen.
B: Arbeitest du mit dem Reichschen Bluttest?
T: Der Bluttest interessiert mich sehr. Vor 2 Jahren war ich bei Peter Jones in England und habe einen ersten Eindruck bekommen. Der Test ist sehr zeitaufwändig und braucht auch viel Erfahrung, daher wende ich ihn derzeit nicht an. Außerdem fehlt mir das Budget, um entsprechende Instrumente wie Mikroskop, etc. anzuschaffen. Ich würde mir eine Arbeitsgruppe wünschen, wie sie Heiko früher gehabt hat, als er intensiv mit terminalen Krebspatienten arbeitete oder die Bionversuche nachvollzog. Dabei könnte man bei bestimmten Patienten wertvolle Zusatzinformationen bekommen. Zum Beispiel kann man recht gut vorhersehen, wann eine Akkumulatorpause wegen Überladung, bzw. T-Zell-Reaktion im Blut notwendig wird.
B: Heiko war ja auch in der Forschung tätig, bist du da auch engagiert?
T: Leider ist bisher keines der Projekte, die ich im Kopf habe, wirklich umsetzbar gewesen, vor allem aus Ressourcen-Mangel, also personell und finanziell. Es gäbe da viele spannende Dinge, die zu erforschen nützlich wären. Zum Beispiel Selbsthilfe-Gruppen von Diabetikern anzusprechen, ob sie nicht Orgon-Kissen für die Wundheilungsförderung bei nicht heilenden Ulcera ausprobieren möchten. Nach allen Erfahrungen die wir haben, funktioniert das sehr gut.
B: Reich und auch Heiko Lassek haben ja viel mit Krebserkrankten gearbeitet. Zählt dies auch zu deinem Arbeitsschwerpunkt? Heiko hat das ja sehr differenziert gesehen, wann und wie der Orgonakkumulator zum Einsatz kommen soll, ebenso wie die Orgontherapie. Wann findest du Orgontherapie indiziert, und wie sieht es mit anderen Behandlungsmaßnahmen aus – Heiko spricht zum Beispiel von Aloe Vera oder dem Lomi-Saft aus Hawai, Akupunktur, chinesischer Kräutertherapie, etc.?
T: Da bin ich ganz bei Heiko. Man muss individuell entscheiden, und vor allem muss der Patient entscheiden, was für ihn das Mittel der Wahl ist – mit entsprechender Information und Beratung natürlich. Die Körpertherapie halte ich jedenfalls für sinnvoll, und der ORAC ist je nach Fall-Lage indiziert. Viele meiner Patienten haben für sich ein buntgemischtes Spektrum an Heilmethoden ausgesucht, mal mit Schulmedizin dabei und mal ohne.
Sie haben „Heiler“, stellen ihre Ernährung um, nehmen Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel; sie vertrauen auf die Chinesische Medizin, Homöopathie und vieles andere – kombiniert mit der Orgontherapie und gegebenenfalls mit dem ORAC. Ich kann nur sagen, dass es meiner Erfahrung nach nicht DIE richtige Therapie gibt, sondern nur die richtige Kombination von Patient, Erkrankung, Therapie, von Zeit und Ort und Situation, die gemeinsam im Idealfall Heilung ermöglichen. Und das ist gar nicht so selten.
B: Hast du an der Kirlian-Forschung mitgewirkt?
T: Wir haben in Berlin ein paar Mal moderne Geräte ausprobiert, zum Beispiel aus Russland. Gegenüber invasiven Methoden, also wenn sehr schwacher Strom in den Körper geleitet wird, um an den Fingern Kirlian-artige Bilder ableiten zu können, die über den Zustand in den Meridianen entsprechend der Chinesischen Medizin Auskunft geben, bin ich sehr kritisch, auch wenn die Ergebnisse eine Diagnostik erleichtern können. Obwohl man davon eigentlich nichts spüren sollte, habe ich mich danach noch über längere Zeit im Gefühl meiner Hände beeinträchtigt gefühlt.
Nun bin ich da vielleicht sehr sensibel, aber nur weil andere nichts spüren, heißt das ja nicht, dass es da keinen Effekt gibt. Ich arbeite jedenfalls am liebsten mit meinen Händen, ohne Geräte, maximal mit Akupunkturnadeln. Sehr spannend war ein Tagesseminar mit Dr. Schlebusch, der hochauflösende Infrarot-Kameras einsetzt, um Prozesse und Energiebahnen im Körper sichtbar zu machen. Da dies nicht invasiv ist und sehr interessante Ergebnisse zeigt, würde ich eher in diese Richtung weitergehen wollen. Diese Geräte sind allerdings sehr teuer.
B: Wie beziehst du die Chinesische Medizin in deine Arbeit ein?
T: Zum Einen habe ich eine Akupunkturausbildung, so dass mir häufig in den Gesprächen mit den Patienten Zusammenhänge zwischen Emotionen und Organ-Kreisläufen aus der Chinesischen Medizin auffallen, die sehr hilfreich sein können. Vereinfacht gesagt schlägt sich zum Beispiel nach dem chinesischen Konzept starke, ungelebte Trauer auf der Lunge nieder. Wut oder Ärger, die nicht ausgedrückt werden können, betreffen zunächst Leber und Galle.
Das Ganze ist komplizierter, aber es kann dem Patienten und mir helfen, der Schulmedizin unerklärliche oder unzusammenhängende Symptome dem Gesamtprozess zuzuordnen, beziehungsweise auch ermöglichen, dem Ausdruck von Emotionen mehr Sinn zu geben, als „nur mal zu weinen“, weil ich sage, „dass das halt raus muss“, weil gestaute Emotionen sonst anfangen ein Eigenleben zu entwickeln. Da bin ich wieder ganz bei Reich: Die Energie geht dann Umwege, die sehr unangenehm sein können, wenn sie nicht den ursprünglichen Ausgang finden darf, egal wie gut die Gründe für ein Zurückhalten sind. Oft wird dann sofort eine Linderung der Beschwerden spürbar, sozusagen über selbstgemachtes, geräteunabhängiges Biofeedback.
Zum Zweiten habe ich auch einen Teil der Ausbildung in Taoistischer Energiemedizin bei Prof. Lu Jin Chuan mitgemacht, bis zum Qi Dao III. Das bedeutet, dass man sozusagen energetisch spüren kann, wo gestörte Felder liegen und man in bestimmtem Maße auch Energie ableiten oder zuführen kann, ohne den Patienten zu berühren. Leider ist es durch die sprachlichen und kulturellen Barrieren sehr schwer dieses Heilsystem voll zu erfassen und anzuwenden, so dass ich meist auf praktikablere Methoden zurückgreife.
B: Wie hast du die Wandlung bei Heiko durch seine Begegnung mit Prof. Lu Jin Chuan erlebt?
T: Heiko hat sehr intensiv mit Lu gearbeitet. Und das hatte für ihn persönlich viele Effekte, weil er lange davor sozusagen ohne „Lehrer“ war und weil ihn die Praxis energetisch sehr bewegt hat. Auch aber, weil er sofort die Ähnlichkeiten und Verbindungen des taoistischen Qi-Konzepts mit Reichs Orgonomie erkannt und in seine Arbeit aufgenommen hat. Es war für ihn in den letzten zwölf Jahren ein großes Anliegen, diese Verbindung deutlich zu machen und damit zu arbeiten – auch weil die Ähnlichkeit der energetischen Denksysteme aus zwei so unterschiedlichen Kulturen natürlich eine Bestätigung für beide ist.
Für mich waren es auch immer Schlüsselmomente, wenn sich auf meinem Weg die schulmedizinische Grundlage, die Akupunktur, das Qi des Taoismus und die Orgonomie gegenseitig bestätigten und die jeweiligen Lücken füllten. Und das geschieht im Grunde eigentlich ständig. Das kann auch nur so sein, wenn man mit offenen Sinnen das Energie-Körper-Seele-Wesen „Mensch“ betrachtet, denn wenn die einzelnen Systeme „Wahrheit“ enthalten, können sie sich nicht wirklich widersprechen.
Heiko hat das erkannt. Ich mache es in meiner Arbeit nicht anders. Die Systeme schließen sich nur dann aus, wenn eines „falsch liegt“, und das muss meiner Meinung nach neugierig machen, anstatt eines der Systeme auszuschließen. Es kann nicht heißen: „Ich habe Recht, die anderen irren sich!“, sondern: „Wer hat Recht, und wo liegt der Schlüssel?“. Das ist sehr nach Reich, denke ich.
B: Heiko zitiert Reich: „Je weniger der Patient spricht, umso besser“. Wie siehst du das in deiner Arbeit?
T: Es gibt hundert und mehr Wege Veränderungen in unserem Leben auszuweichen, egal wie gern wir sie erleben würden. Unsere Sicherheitsmechanismen funktionieren oft einfach zu gut. Viel Sprechen in der Therapie kann ein Weg sein, der Angst machenden Körper- und Emotionserfahrung auszuweichen. Andererseits sind Gespräche natürlich wichtig, um das Erlebte zu integrieren und zu verstehen und hilft so über manchen Widerstand hinweg. Es kommt für mich also sehr darauf an zu erkennen, mit welcher Art von Sprechen ich es gerade zu tun habe und meinen Eindruck auch mitzuteilen.
Ich meine aber auch, dass Druck auszuüben da keinen Sinn macht, sondern nur Erkenntnis und Erleben. Und das braucht seine Zeit. Jeder hat das Recht der Angst solange auszuweichen, bis der Mut zur Veränderung groß genug ist. Und es ist wichtig, dass er weiß, dass ich weiß, wo er gerade steht, weil das Sicherheit geben kann. Man muss genau schauen, wann das Sprechen ein Ausweichen ist und wann es im wirklichen Kontakt mit sich und dem Gegenüber stattfindet. Beides ist ok, wenn es bewusst gemacht werden kann.
B: Kannst du etwas über den Einfluss von Will Davis’ „Instroke-Outstroke“-Ansatz in deiner Arbeit sagen?
T: Ich habe nur an zwei Wochenendseminaren mit Will Davis teilgenommen, weil Medizinstudium und Heikos Ausbildung damals einfach genug auf einmal waren. Mein Eindruck war sehr positiv. Der Instroke kommt aber auch in Heikos Orgontherapie vor, nicht so zentral, aber die Arbeit in Bauchlage zum Beispiel ist eine sehr intensive Instroke-Arbeit – also das Leiten der Energie nach Innen, was zu einem intensiveren Kontakt mit dem energetischen Kern führt – im Gegensatz zum Ausagieren.
B: Fragen zum Setting: Da gibt es ja „Das Stehen an der Wand“ aus der taoistischen Tradition, die Lassek´sche Bauchlage und die Reich´sche Rückenlage. Mit welcher dieser Positionen arbeitest du bevorzugt, bzw. wann hältst du welche für indiziert?
T: Die stehende Position war ja schon vor der Taoismus-Erfahrung ein zentraler Bestandteil der Orgontherapie. Sie kommt zum Beispiel auch im Qi-Gong als Position vor. Heiko sagte in den Ausbildungen gern: „ A, B und C stellen sich als Opfer an die Wand, X, Y und Z als Täter davor … er hatte schon eine besondere Art, die Atmosphäre aufzulockern.
Welche Position ich in der Therapie anwende, hängt vom Reaktionstyp des Patienten und von der aktuellen Situation ab. Die stehende Position eignet sich gut zum Mobilisieren der Energie, um Entladungskanäle zu öffnen.
Zudem fühlt sich der Patient im Stehen häufig sicherer, als in der Rücken- oder Bauchlage. Sie ist ein guter Einstieg und auch gut als Diagnostik, also um zu sehen, welche Kanäle offen und welche blockiert sind. Die Bauchlage wiederum ist gut zum Aufladen, um Entladungen zu unterbinden und Energie nach innen zu leiten, um ein „Erglühen“ des Kerns zu erreichen. Für jemanden, der mich noch nicht kennt, ist es natürlich seltsam, mich nicht sehen zu können und mich sehr nah über sich zu spüren, so dass es da erstmal ein Vertrauensverhältnis braucht. Sie ist aber für viele Krebspatienten, die mehr Ladung brauchen die beste Position, um gesund werden zu können.
Die Rückenlage ist sozusagen das „Ziel“ und für manche auch der Anfang der Orgontherapie. Gut, um segmental zu arbeiten, Energie nach oben wie nach unten im Körper zu leiten und auch nach Außen oder Innen. Statisch gesehen befindet man sich in Rückenlage natürlich in einer recht sicheren und halbwegs entspannten Position, weil man nicht „noch tiefer“ fallen kann, auch wenn das als Angst mal auftauchen kann.
Ich arbeite in allen Positionen. Die meisten Stunden enden in Rückenlage und gehen in eine Entspannungsphase über – manchmal ist es aber auch sinnvoll, mit wackligen Knien aus der stehenden Position direkt loszugehen.
B: Kannst du dich an deine ersten Erfahrungen mit dem Drücken der Energiepunkte erinnern, und bist du bisweilen noch überrascht über die Reaktionen deiner Patienten?
T: Meine erste Erfahrung war sehr eindrücklich. Nach wenigen tiefen Atemzügen und den ersten von Heiko sehr präzise gedrückten Punkten, habe ich gezittert wie Espenlaub. Ich war einfach erstaunt, wozu mein Körper fähig ist, auch wenn ich bald feststellen musste, dass das daher kam, dass ich einfach wenig Energie in mir halten konnte und ich zu durchlässig war. Mit zunehmender Haltekapazität wurden auch die Empfindungen intensiver und der Entladungsdruck weniger.
Alles in allem eine sehr lustvolle Erfahrung, wenn auch oft erstaunlich anstrengend.- In der Ausbildung wurde mir durch die Erfahrung mit verschiedenen „Behandlern“ im Vergleich zu Heiko immer mehr bewusst, wie wichtig die Berührungsqualität für den Effekt und für das Sich-Einlassen-Können ist. Darin war Heiko einfach besonders gut. Über meine eigene Erfahrung habe ich eine hohe Achtsamkeit für mein Berühren des Anderen gelernt, und es freut mich immer wieder, wenn das von meinen Patienten auch so wahrgenommen wird.
B: Wie siehst du die Arbeit mit den drei Energietypen? Hast du diesbezüglich neue Erkenntnisse, die über das von Heiko vermittelte Wissen hinausgehen?
T: Im Grunde orientiere ich mich nach wie vor an den Energietypen, besser gesagt „Reaktionstypen“. Ich habe schon viele Menschen behandelt, und mir ist klar, dass es unendlich viele individuelle Ausprägungen gibt. Trotzdem ist es so, dass bei Menschen, die bereits physisch erkrankt sind, der Reaktionstyp die Behandlungsrichtung bestimmt. Das Ziel ist immer das selbe: Ausreichend Energie zu haben, die sich frei bewegen kann.
B: Heiko war ja ein Vielreisender in Sachen „Orgonomie“. Welche Städte sind deine hauptsächlichen Wirkplätze und Heimatorte?
T: Im Augenblick ist Wien für mich Lebens- und Arbeitsmittelpunkt. Nach Heikos Ableben gab es Anfragen aus Zürich und Helsinki, wo ich in näherer Zukunft wahrscheinlich Seminare halten werde. Ich war in letzter Zeit als Vortragende auch in Innsbruck und Würzburg; auch dort gibt es Interesse an weiterer Zusammenarbeit. Es wird in Zukunft eine Umstellung geben müssen.
Denn wenn es mit der Orgontherapie weitergehen soll – und das ist mir ein großes Anliegen -, dann werde ich Ausbildungen anbieten und einen Teil dessen, was Heiko angefangen hat, weiterführen. Natürlich bin ich anders als Heiko, und auch die Therapie hat sich weiterbewegt. Es wird ein spannendes Projekt, Menschen die sich dafür interessieren, auf ihrem individuellen Weg zu begleiten und das Wertvolle dieser Arbeit effektiv weiterzugeben. Ein weiterer Ort, wo ich gerne arbeiten würde ist Griechenland.
B: Veröffentlichst du auch, bist du eine Schreibende?
T: Bisher kaum. Dieses Interview macht aber Lust darauf. Auf Fragen weiß ich sofort eine Antwort, aber ein leeres Blatt ohne Deadline ruft eigentlich nichts in mir hervor.
B: Heiko hat dich in dem Interview von Christian Bartuska einige Male sehr wertschätzend erwähnt. Hat er die Wertschätzung dir auch persönlich ausgedrückt?
T: Er hatte die Angewohnheit, mir das nicht direkt zu sagen, eher beiläufig im Beisein von anderen; irgendwann ist das aber auch bei mir angekommen. Zudem hat er mir in den letzten Jahren, in denen wir keinen direkten Kontakt hatten, Patienten geschickt, und das war ein deutliches Zeichen seiner Wertschätzung für mich und meine Arbeit. Mit seiner Eigenschaft, den Finger immer wieder auf wunde Punkte zu legen, hat er mich einerseits sehr geschult bei der Selbstreflektion zu bleiben, aber auch dazu beigetragen, positive Seiten zu sehen.
B: Wie war Heiko als Lehrer, als Therapeut, als Mensch in der Beziehung zu dir?
T: Heiko war als Lehrer, Therapeut und als Mensch eine ständige Herausforderung. Gebend, begrenzend, fordernd, unberechenbar, einfach schwierig. Manchmal war es schwer, zwischen der Wahrheit und seiner Meinung dazu einen eigenen Weg zu finden. Das Besondere an ihm war, dass er spüren konnte, ob man wirklich „bei sich war“. Dann hörte er sofort damit auf, einen auf die Probe zu stellen. Man konnte ihm nichts vormachen. Für mich war das ein großes Geschenk und eine große Hilfe.
B: In Bartuskas Interview mit Heiko, 2004, standen viele Projekte im Raum: Forschung, Lehre, Veröffentlichungen. Kannst du etwas über die Entwicklung von Heikos Arbeit in den Jahren von 2004 bis 2011 sagen? Wo lagen da die Schwerpunkte?
T: In diesen Jahren war ihm hauptsächlich das Filmprojekt über Wilhelm Reich mit seinem Freund und Regisseur Antonin Svoboda ein Anliegen, das er als wissenschaftlicher Berater begleitete. Der Film „The Strange Case of Wilhelm Reich“ wurde im Oktober bei der „Viennale“ uraufgeführt und wird im Jänner kommenden Jahres im Kino zu sehen sein. Kurz nach den Drehschlussarbeiten ist Heiko gestorben. Ich glaube, dass ich nicht die Richtige bin, viel mehr dazu zu sagen, weil wir seit 2009 nicht mehr miteinander gesprochen haben.
Heiko hat enorm viel hinterlassen, das zu erkunden und zu erforschen bleibt. Mir ist mit seinem Gehen die Aufgabe geblieben, die Orgontherapie, die Lebensenergiemedizin, gemeinsam mit Kollegen und Kolleginen weiterzutragen. Es ist mir wichtig, den Kern der Arbeiten von Reich, Heiko und anderen in die sich bereits abzeichnende Zukunft zu tragen, also die Lebendigkeit und die Wahrnehmung, den Kontakt an sich, als Wert in eine sich wandelnde Gesellschaft implementieren zu helfen.
Gerade in Zeiten, die sich für viele nach Umbruch und Niedergang anfühlen und unterschwellig Angst machen, ist die Fähigkeit mit sich und anderen in Kontakt bleiben zu können, immens wichtig.- Bei all der Angst, die Heiko selbst vor der einen oder anderen Situation hatte, war er doch unglaublich gut darin, andere über ihre Ängste hinweg zu bringen. Und das können wir heute gut gebrauchen!
B: Danke für das Gespräch, liebe Tina!
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*) erschienen in: „Zeitschrift für Körperpsychotherapie“, #38/2004
(Hrsg.: Gabriele und Christian Bartuska)