19 Aug
Bukumatula 1/2012
Interview mit Wolfram Ratz anlässlich des Ablebens von Heiko Lassek
Beatrix Teichmann-Wirth:
Beatrix: Lieber Wolfram, wie lange kanntest Du Heiko – und kannst Du Dich an Eure erste Begegnung erinnern?
Wolfram: Heiko habe ich anlässlich einer Wilhelm Reich-Tagung im Jänner 1987 in Berlin das erste Mal getroffen. Am Abend vor meiner Heimfahrt sind wir in einem Gasthaus am selben Tisch gesessen und ins Reden gekommen. Er hat mich dann mit seinem Porsche in mein Quartier gebracht. Dass daraus eine über Jahrzehnte anhaltende Freundschaft und Zusammenarbeit werden wird, habe ich damals nicht geahnt.
B: Ihr hattet ja eine ziemlich – könnte man sagen – intensive Beziehung, zumindest wenn Heiko bei Dir nächtigte Wie hat sich diese entwickelt?
W: Im Jahr 2000 haben wir uns wieder einmal um den Weiterbestand des WRI Gedanken gemacht und unter dem Obmann Günter Hebenstreit den Beschluss gefasst, Heiko, der sich aufgemacht hatte, westliches und östliches Gedankengut zusammenzubringen, zu einer Ausbildung nach Wien zu holen. Er hat das Angebot angenommen. Im Herbst 2001 fand der erste Workshop zum Thema „Orgontherapie und chinesische Energiemedizin“ statt. 2002 startete die erste Ausbildungsgruppe.
Heiko ist gerne nach Wien gekommen. Mit wenigen Ausnahmen übernachtete er bei mir, im „schönsten Hotel der Welt“. Meistens ist er am Donnerstag in der Früh mit einem riesengroßen, schwarzen Koffer angekommen und hat sich seinen gewohnten Platz in der Küche großflächig mit Laptop, Handy, Büchern, Zeitschriften, Zigarettenschachteln, etc. eingerichtet. Zum Frühstück waren Heiko Leberwurst und zwei weiche Eier wichtig. „An Deiner Küche darfst Du nie etwas verändern“ lautete sein Auftrag, während er aus meinem bestimmt dreißig Jahre alten Radio Nachrichten hörte.
Als Gastgeschenk überreichte er mir meistens Bücher, die ihn selbst beschäftigten: „Du musst Dich immer weiterbilden, viel lesen – und Spuren hinterlassen“. Beim Abschiednehmen pflegte er stets zu fragen: „Magst Du mich noch?“ Einigermaßen ermattet sagte ich: „Ja, ja“ und habe ihn gedrückt. Das war Teil eines Rituals.
B: Heiko hat ja sehr viel im Rahmen des WRI gemacht; die Seminare und Vorträge waren, glaube ich, stets gut besucht. Kannst Du ungefähr sagen, wie viele Veranstaltungen mit ihm in Wien stattgefunden haben?
W: Heiko ist in den Jahren zwischen 2002 und 2008 an die fünfzig Mal nach Wien gekommen. Er war ja schon viele Jahre davor und auch danach immer wieder zu Vorträgen in Wien. Dem Beginn der ersten Ausbildungsgruppe ging der Vortrag „Westliche und östliche Konzepte der Lebensenergie“ voraus, den er im Neuen Institutsgebäude der Wiener Universität gehalten hat.
Dort hat auch seine erste Begegnung mit Antonin Svoboda stattgefunden, die für seine folgenden Lebensjahre prägend wurde. Das war am 28. November 2002.- Ingesamt gab es drei Ausbildungsgruppen. Vor den Seminaren hat er jeweils am Donnerstagabend einen Vortrag gehalten, meistens im Amerlinghaus.
B: Was war dabei Heikos Hauptanliegen, bzw. das Hauptthema? Welche Leute kamen zu den Veranstaltungen, und wie war die Resonanz?
W: Sein Anliegen in diesen Jahren war die Verknüpfung von Lebensenergiemodellen der östlichen und westlichen Philosophie mit Schwerpunkt auf Taoismus und Wilhelm Reich. Heiko hat sich in Wien ein egenes `Feld´ aufgebaut und Schwung in die Wiener Szene gebracht; es sind auch etliche junge Mediziner, Psychologen, etc. dazu gestoßen. Die Veranstaltungen waren gut besucht.
Heiko war rastlos – rastlos auch in seiner Suche nach Wahrheit und Erkenntnis. „Augustinus erblickt das Licht der Wahrheit, indem er in intima sua einkehrt und mit dem Auge seiner Seele das unwandelbare Licht erschaut: wer die Wahrheit kennt, kennt es, und wer es kennt, der kennt die Ewigkeit. Die Liebe kennt es.“ zitierte er mir einmal aus dem Buch „Über das Sein“ von Parmenides.
Elfriede Kastenberger, Vorsitzende der AABP, hat in ihrem Beileidschreiben gemeint: „… Mit Heiko haben wir alle einen engagierten, unermüdlichen Forscher und Wegbereiter für wichtige therapeutische Pfade verloren, der sich für ein umfassendes Konzept von Heilung und für eine lebenswertere Welt eingesetzt hat.“
In den letzten zehn Jahren ist es in der Reich-Szene sehr ruhig geworden. Heiko war es ein großes Anliegen, dass das Gedankengut Wilhelm Reichs erhalten bleibt, dass zumindest ein „kleines Lichtlein“ am Leben bleibt. Als Vorreiter und Protagonist wird uns Heiko in der Tat außerordentlich abgehen.
B: Wie war Heiko für Dich als Mensch, als Freund?
W: Großzügig, bescheiden, humorvoll, gesprächig; manchmal auch anstrengend, auch bestimmend.
B: Die „Küchensitzungen“ bei Dir bis spät in die Nacht hinein waren ja legendär. Worüber wurde da gesprochen?
W: Wir haben über Gott und die Welt geredet, und bei ausreichend Rotwein hatte das auch zeitlich kein Ende. Heiko war ein guter Redner, ich ein guter Zuhörer. Etliche Male war die „Reich-Küche“ – „die gemütlichsten acht Quadratmeter der Welt“ -, wie Heiko sie nannte, zu den „Hochzeiten“, gesteckt voll.
Einige haben dann aus „Sicherheitsgründen“ gleich bei mir übernachtet. Am Morgen vor einem Workshop wusste ich gar nicht, wie viele Gedecke ich zum Frühstück auf den Tisch stellen sollte. Das waren schon sehr turbulente Zeiten, die ich aber nicht missen möchte.
B: Wie hast Du von Heikos Tod erfahren? Wie und wann war Dein letzter Kontakt zu ihm, und wie hast Du sein Gehen verkraftet?
W: Ich habe zufällig am Abend vor seinem Ableben noch mit ihm telefoniert. Er klang wie immer, hat sich auch nicht über Beschwerden geäußert. Zwei Tage später ruft mich Franz Robotka an und teilt mir mit, dass Heiko gestorben sei. Heiko war acht Jahre jünger als ich. Ich habe nie gedacht, dass er vor mir „seine Reise“ antreten würde.
Die Nachricht über sein Ableben habe ich gut verkraftet – wir haben ja mehr als einmal über „das Leben danach“, über die Geburt in eine andere Existenz gesprochen, vor der er keine Angst zu haben schien. Beim letzten Abschiednehmen in Kreuzberg konnte ich ihn dann nicht mehr `drücken´.- Heiko hat schnell gelebt und ist schnell gestorben.
B: Du hast bei der WRI-internen Gedenkfeier im Rahmen der letzten Generalversammlung einige Zitate von Heiko vorgelesen, die er in privatem Rahmen zum Besten gab. Kannst Du einige, für Dich wesentliche nennen?
W: Ich möchte ein Zitat an dieser Stelle wiedergeben, das von A.S. Neill stammt und das ich inhaltlich mit Heiko in Verbindung bringe: „Ich habe keine Angst vor dem Sterben; ich habe Angst davor, nicht zu leben.“
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Zitiert aus Heikos Lieblings CD „Heroes“ von David Bowie:
„I wish you could swim,
like dolphins,
like dolphins can swim.“