21 Aug
Bukumatula 2/2021
von
Gudrun Heininger:
Es scheint in den letzten knapp zwei Jahren unmöglich geworden zu sein, das Thema Covid-19/Pandemie in der Öffentlichkeit auch nur anzudeuten und dabei einigermaßen wohlwollend zu bleiben. Den Boden des Rationalen haben wir schon lange verlassen. Die Emotionen kochen über. Es ist sofort Krieg.
Was mich am meisten verblüfft: Unter jenen Gruppen, die der ganzen Corona-Erzählung und den weltweiten Maßnahmen kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, finden sich kaum Gemeinsamkeiten. Und unter Menschen, von denen man verwandte Lebensanschauungen, Haltungen annehmen könnte (liberal, libertär, nonkonform, aber auch unter den Konservativen), sind die gegensätzlichsten Positionen vertreten.
Sicher ist nur: es ist nicht so einfach, so eindimensional, wie uns die Regierungen weismachen wollen: Virus-Gefahr-Maske-Impfung-Rettung-Allesgut. Ich vermute niemand, wirklich niemand, kennt die ganze Wahrheit und weiß genau, was vor sich geht. Kein einziger der echten oder selbsternannten Experten arbeitet unvoreingenommen und strikt wissenschaftlich, geschweige denn im Rahmen einer Wissenschaft, die sich knapp an der Grenze des Altvertrauten, hundertmal Wiederholten bewegt. Einige sind darunter mit einer sehr differenzierten Denk- und Herangehensweise, aber insgesamt ist es wohl eine kleine Minderheit.
Auf der anderen Seite die Gegenstimmen auf den unzähligen Channels und Websites, die bezüglich Qualität die gesamte Bandbreite abdecken. Von absurden, reißerischen Behauptungen ohne jede Substanz über Videobeiträge, die zwar gut gemeint, aber so ungenau und schlampig gearbeitet sind, dass sie sich selbst disqualifizieren, bis zu ernstzunehmenden Artikeln, die eine Fülle von konkreten nachprüfbaren Informationen, allesamt mit Quellenangaben versehen, systematisch aufarbeiten.
Erstere werden natürlich genüsslich verbreitet, um die Dummheit aller Kritiker pauschal zu belegen. Dazu ein Meer an bewusster Falschinformation von allen möglichen Seiten, meist eine genau kalkulierte Mischung aus Lüge und Wahrheit. Sich hier durchzuarbeiten ist ein Vollzeitjob.
Bleibt die Überlegung: Wem vertraue ich, wer ist für mich glaubwürdig. Regierungsverlautbarungen, TV, Gratiszeitung, Standard, Süddeutsche, Zürcher, Herr Drosten? Ein national-ländlicher Coronarebell? Ein Corona Untersuchungsausschuss? Die Anwälte für Aufklärung? Amerikanische Verschwörungstheoretiker?
Eine wilde, zufällige und sehr unvollständige Auswahl. Genauso gut könnte ich würfeln. Alles ist beliebig geworden. Eh wurscht. Alles eine Frage des mittlerweile schon ziemlich fanatischen Glaubens. Ein religiöser Kult auf beiden Seiten.
Ich habe gelernt, allen Regierungen, Organisationen, Institutionen, Medien ab einer bestimmten Position in der gesellschaftlichen Hierarchie und mit einem deutlichen Autoritätsanspruch zu misstrauen. MISSTRAUEN in Versalien. Es wäre naiv anzunehmen, irgendeine Regierung hätte je das Wohl der Bevölkerung im Sinn gehabt. Und wenn es doch vorkam, hat sie sich nicht lange an der Macht gehalten.
Ich war immer misstrauisch, wenn mir jemand etwas mit Nachdruck verkaufen wollte. Warum sollte das jetzt anders sein? Kluge, wache Leute übernehmen irgendwelche Behauptungen, ohne zu prüfen. Selbst wenn sie ihre Zweifel haben, entscheiden sie sich zur Sicherheit doch, mit der Mehrheit zu gehen.
Was bringt gerade die traditionelle Linke dazu, den Autoritäten nicht nur widerspruchslos zu folgen, sondern sie auch noch links und rechts mit Karacho zu überholen? Wer glaubt noch, dass die Gesetzgeber – einmal – tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen handeln, dass Studien – einmal – tatsächlich nicht manipuliert werden, dass die Ohn/Mächtigen in Wirtschaft, Industrie, Politik tatsächlich – einmal – empathisch agieren könnten? Wen von ihnen hätte es je gekümmert, ob Hunderttausende sterben.
An Herzkrankheiten, Schlaganfällen, Drogen, Malaria, Alkohol am Steuer, an verseuchtem Wasser, Hunger, Krieg, durch Gewalt und Selbstmord. Plötzlich müssen kleine afrikanische und pazifische Staaten die Grenzen dichtmachen, aus Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung?
In den 1930er Jahren bewirkte eine Liebe, Sex und Körperlichkeit massiv unterdrückende Gesellschaft und die existenzgefährdenden Folgen der Weltwirtschaftskrise, dass sich die Leute einem Führer in die Arme warfen. Jetzt ist es eine voyeuristische, pornographische Gesellschaft und die galoppierende Globalisierung, Machtzentralisierung und Überwachung, die Menschen in eine innere Panik treibt, in der das Denken aussetzt. Sie halten eine autoritäre und korrupte Bürokratie für Demokratie und verwechseln das blinde Gehorchen mit Solidarität.
Was würde Reich tun? Was hat er getan? In ein anderes Land gehen, neu anfangen, alles wiederaufbauen. Sich auf seine Aufgaben konzentrieren. Jeden Augenblick das tun, was man als richtig erkannt hat. Er konnte damals nicht wissen, dass es mittelfristig keinen Unterschied machen würde. Dass die Nazis auch in der FDA sitzen.
In der Tiefe sitzen die Dämonen. Angst beherrscht mittlerweile alle und alles. Es war wohl nie anders, zumindest nicht, seit Geschichte aufgezeichnet wird. Man kann sich nicht schützen vor dem Leben. Man komme mir in diesem aktuellen Zusammenhang nicht mit einem Vergleich mit Pocken und Pest.
Wenn ich die Ursachen für all das im Reich‘schen Sinn zu Ende denke, beginnt sich alles zu drehen, mir schwindelt und der Boden gibt nach. Was für ein Potential! Das lustvolle Schwingen, Vibrieren, Pulsieren. Allein das Wort ‚lustvoll‘ ist ja verboten. Verboten oder in seiner Bedeutung pervertiert. Was für ein Druck liegt auf der Welt. Jede echte Regung, jeder klare Gedanke wird diffamiert und in sein Gegenteil verkehrt. Es gibt von allem zwei Versionen, eine ursprüngliche, natürliche, wahre Version und eine falsche, synthetische, eine Imitation: natürliche, lebendige Schönheit versus Beauty-Industrie / echte Liebe versus Pseudo-Liebe, die an Bedingungen geknüpft ist / echte Kommun(ikat)ion versus leeres Gerede, Slogans / Ausdruck des Lebens in Kunst und Musik versus dunkle Ästhetik / Heilkunst versus Pharmaindustrie / Indoktrination versus freie Erziehung / lebendige Nahrung versus zu Tode verarbeiteter Müll / natürliche versus synthetische Vitamine / Naturreligion/Spiritualität versus organisierte Kirchen, Kulte / authentischer sprachlicher Ausdruck versus Neusprech etc.
Auch in der Auseinandersetzung mit der Covid-19/Pandemie-Erzählung sind zwei Versionen verfügbar. Ich scheue mich nicht zu sagen: Eine dunkle und eine helle. Man könnte beginnen zu unterscheiden und zu sortieren. Man könnte einen Schritt hinter die täglichen Streitpunkte tun wie: gibt es überhaupt eine Pandemie, ein Virus, was ist ein Virus, wirkt eine Impfung, ist sie gefährlich, stimmen die Statistiken, muss ich meine alten Eltern schützen, sind die Maßnahmen richtig, woher kommt das Geld dafür, wie wird es überhaupt verteilt . . . endlos. Man könnte versuchen, die Fragen zu finden, die sich auf der Metaebene stellen. Schwer.
Ein Lebensbild, in dem das Bewusstsein die Materie, die Realität erschafft, und zwar bis ins kleinste tägliche Detail, gibt einen vollkommen anderen Rahmen vor als zum Beispiel eine Weltanschauung, die auf neurologische, chemische, mikrobiologische Prozesse fokussiert und in der das Gegenspiel, der oft kriegerische Gegensatz zwischen Innen und Außen zentral ist. Dann ist ein Virus der Feind, der bekämpft werden muss, um jeden Preis.
Es haben beide Welten und alle Spielarten dazwischen ihre Berechtigung und zwar innerhalb ihrer selbstgezogenen Grenzen. Jede Seite hat (sofern nicht böswillig und bewusst gelogen wird) nachvollziehbare Argumente. Jeder muss wählen und mit den Konsequenzen seiner Wahl leben. Wer Angst hat, muss sich zwangsläufig schützen. Ich bin mehr als bereit, das ernst zu nehmen und mich in der Begegnung entsprechend zu verhalten.
Ich weigere mich aber, mir von einem anonymen, technokratischen Moloch und seiner Mitläuferarmee, deren Mitglieder niemals für ihre Taten geradestehen müssen, die Souveränität über meinen Körper, meine körperliche Unversehrtheit nehmen zu lassen. Niemand hat das Recht, einen anderen wozu auch immer zu zwingen. Das ist gegen jedes Lebensprinzip. Ich wünschte, das wäre in allem, was wir tun, immer eine unhintergehbare Prämisse.
Die Welten trennen sich. Hier wird nichts mehr gut. Etwas Fundamentales geschieht gerade, das weit über den Streit um Abstandsregeln und Impfstoffe hinausgeht. Die Zukunftsmöglichkeiten spalten sich auf. Es müssen aber Wege zwischen ihnen offenbleiben und seien es nur Schleichpfade.
Diese letzten knapp zwei Jahre haben mich geschwächt wie kaum etwas bisher. Die offene Manipulation und die Lügen, die subtile Dauerdrohung, die ständige Aufforderung zum blinden Gehorchen. Verhöhnen und Verächtlichmachen bei Widerspruch, vereinzelt schon brutale Machtdemonstrationen.
Aber mehr als das ist es die um sich greifende, sich rasant ausbreitende, überall zu beobachtende Hoffnungslosigkeit und Apathie, die an der inneren Substanz frisst. Das tägliche panikschürende Bombardement in allen Medien, auf jedem Quadratzentimeter öffentlicher Fläche verfehlt seine erschreckende Wirkung nicht. Ich will weg hier. Mit jedem Monat, den ich die Abreise hinausschiebe, wird der Aufbruch schwerer.