29 Jan
Bukumatula 2/1997
Ein funktioneller Ansatz zur Charakterentwicklung
Will Davis
Wilhelm Reich beschrieb die Muskelpanzerung als neuromuskuläre, kontraktive Reaktion auf physischen und psychischen Stress. Die anhaltende Kontraktion führt zur Entwicklung des psychischen und somatischen Charakters.
Während des kontrahierten Zustandes und der offensichtlich negativen Auswirkungen stellt sich nun die Frage, was diese Kontraktion denn genau ist. Wenn wir eine Faust machen und dann versuchen unseren Arm ca. 20 Minuten lang oder sogar kürzer vom Körper wegzuhalten, werden wir herausfinden, dass dies nicht ohne spezielles Training möglich ist. Den Theorien Reichs entsprechend kontrahieren wir unsere Muskeln zwanzig Jahre oder länger. Wie ist das möglich? Wenn der Festhalteprozess eine muskuläre Aktivität ist, warum ermüdet der Muskel dann eigentlich nicht?
Die reichianische Theorie behauptet auch, dass wir unsere Gefühle unterdrücken und jahrelang durch Muskelanspannung zurückhalten können. Wenn dies so wäre, könnten wir uns beim Arzt ein Muskelrelaxans besorgen. All unsere unterdrückten Gefühle würden frei und wir bräuchten nicht in jahrelanger Psychotherapie an uns zu arbeiten. Wir wissen auch, dass Relaxantien keine Gefühle auslösen, wenn sie zur Muskelentspannung eingesetzt werden. Was also hält diese Gefühle zurück, wenn die Muskulatur entspannt ist?
Schizoide werden generell als die Struktur gesehen, die physisch am meisten kontrahieren und psychisch starr sind. Allgemein werden sie als dünn und klein beschrieben. Wenn sie so kontrahiert sind und ihre Muskulatur so schwach ausgebildet ist, was hält dann all die Gefühle zurück?
Es gibt auch den Gedanken, dass Kontraktionen im Gehirn spezifische psychische Störungen verursachen. Jedoch gibt es keine Muskulatur im Gehirn. Was kontrahiert sich da? Reich behauptet aufgrund der beobachteten Störungen, dass die verspannte Muskulatur an der Schädelbasis den freien Energiefluss ins Gehirn verhindert.
Dies könnte so sein. Wir denken auch, dass Kontraktionen im Gehirn stattfinden können und die Frage, was sich kontrahiert, sowie die vorhergehenden Fragestellungen, können dennoch so beantwortet werden, wie Reich es gelehrt hat. Es handelt sich um eine plasmatische Kontraktion in Gestalt des Bindegewebes. Es sind nicht die Muskeln selbst die blockieren, sondern es ist eine chronische Kontraktion des plasmatischen Systems, die der Struktur als auch der Funktion des Bindegewebes entsprechen. Die stärkste und klarste Form der Kontraktion ist im schizoiden Prozess zu erkennen.
In diesem Artikel geht es darum, Reichs Konzept der plasmatischen Kontraktion und des muskulären Panzers von einer biologisch/ funktionalen Perspektive aus zu beleuchten. Wir werden herausfinden, dass die plasmatische Kontraktion und der muskuläre Panzer – obwohl sie miteinander verknüpft sein, bzw. sich überdecken können – sich grundsätzlich voneinander unterscheiden und daher besonderes Verständnis und entsprechende therapeutische Interventionen erfordern. Üblicherweise sind reine Charaktertypen seltener anzutreffen als Mischtypen.- Die Beziehung von Bindegewebe und Muskulatur ist gut dokumentiert. Es ist gut möglich, diese zwei anatomisch und funktionell unterschiedlichen Gewebe zu trennen, um die Ursache für den Charakterpanzer – sowohl physisch wie psychisch – klarer darzustellen und unser Verständnis dahingehend zu vertiefen, wie dieses Phänomen zu sehen, bzw. zu behandeln ist.
Der „rein“ schizoide Charakter entsteht aus einem kontrahierten plasmatischen Prozess, und nicht aus einer neuromuskulären Panzerung. Andere Strukturen (phallische Strukturen, Wutstrukturen, psychopathische Strukturen) repräsentieren das andere Ende eines gleitenden Kontinuums und die eher traditionelle Idee, dass die kontrahierte Muskulatur blockiert und hält. Als Folge nehmen wir einen eher extremen Standpunkt ein, wenn wir sagen, dass alle anderen Charakterstrukturen mehr miteinander zu tun haben, als der schizoide Charakter mit irgendeiner anderen.
Das heißt, wir qualifizieren, indem wir auf vorher gesagtes verweisen, nämlich, dass die meisten Strukturen Mischstrukturen sind. Wenn wir jedoch klassische Strukturen betrachten, können wir beobachten, dass hier im wesentlichen zwei verschiedene Prozesse ablaufen. Es geht um einen qualitativen, nicht um einen quantitativen Unterschied. Beim Schizoiden arbeiten andere Kräfte, und diese müssen verstanden werden, damit wir lernen, besser damit zu arbeiten.
Das Hauptcharakteristikum des Schizoiden ist eine Frühstörung mit physischen und psychischen Schockthemen, die sich durch ihre Biographien ziehen. Dieses Thema wird in Teil 2 genauer erklärt. Hier präsentieren wir einen allgemeinen Überblick des schizoiden Zustandes – physisch, emotional und psychisch -, damit wir eine Grundlage für weitere Diskussionen anbieten können. Die vorliegende Tabelle beschreibt die Hauptcharakteristika des Schizoiden. Wir können diese Tabelle während der Diskussion als einen allgemeinen Überblick über den Verlauf des schizoiden Prozesses verwenden.
TABELLE 1
SCHIZOIDE CHARAKTERISTIKA – physisch/emotional/psychisch
Physisch
Psychisch/Emotional
EINE PARADOXE STRUKTUR
Der Schizoide weist verschiedene Widersprüche auf. Campbell´s Psychiatrisches Wörterbuch beschreibt „schizoid“ als einen ungenauen Begriff, der von verschiedenen Autoren unterschiedlich benutzt wird. Ich finde den Schizoiden als den am besten getroffenen der Charakterstrukturen – und den faszinierendsten, trotz der auftretenden Schwierigkeiten. Wir wollen aber zuerst die Probleme ansehen, die Widersprüchlichkeiten, die so deutlich das schizoide Funktionieren repräsentieren.
Paradoxe:
emotionslos | dennoch | dünnhäutig leicht verletzbar sehr gespannt |
alleine/einsam | dennoch | fähig zu tiefem Kontakt mit sich selbst – und zu anderen |
starr/rigid/spröde | dennoch | zusammenhangslos vollständiges Verlorensein auseinanderfallen abgespalten |
dünn/schmal | dennoch | unverwüstlich/stark |
kontrahiert/kontaktlos | dennoch | näher beim Kern als andere tiefes Verstehen |
Wie können wir diese komplexe und konfuse Struktur verstehen? Wie ist es möglich beides zu sein: physisch aufgelöst und trotzdem so kontrahiert? So distanziert und zurückgezogen und trotzdem zu stärksten und womöglich gefährlichen Ausbrüchen von Zorn und schrecklicher Angst
fähig?
Unser Verständnis des schizoiden Prozesses basiert auf den zwei reichianischen Themen der plasmatischen Kontraktion und der funktionellen Herangehensweise. Das Plasma-System ist die physische, biologische Manifestation von Reichs funktionaler Herangehensweise und damit können wir beides vertiefen, sowohl das Verstehen dieses Charakters, als auch das Grundwissen unserer Konzepte von klarem, einfachem biologischen Funktionieren.
In der Darstellung der in allen lebendigen Organismen vorkommenden Pulsation, schrieb Reich über die wellenförmigen Bewegungen der Amöbe und beschrieb den Fluss der Bewegungen. Ebenso beschrieb er wie das Plasma bei lustvoller Erregung nach außen strömt und bei angst- und schmerzvoller Erregung kontrahiert.
Zunächst aber: Was ist Plasma? Gray’s Anatomie-Lexikon beschreibt die Haupteigenschaften ähnlich dem von Eiweiß. Es ist zähflüssig, klebrig, amorph und extrem erneuerungsfähig; es kann sich von einer Lösung in ein Gel, in ein Kristall und wieder zurück in eine Lösung bringen lassen. Seine Erneuerungsfähigkeit zeigt sich ebenso in seiner erstaunlichen Eigenschaft, Flüssigkeit abzugeben und wieder aufzunehmen, um dann seine ursprüngliche Form nach Zuführung von Flüssigkeit wieder anzunehmen. (Darin liegen auch die unglaublichen Veränderungen, die wir durch unsere Arbeit an Körper und Psyche beobachten können und darin liegt einige Hoffnung für die Körperpsychotherapie.)
Des weiteren findet man in Gray´s Lexikon über Plasma, dass es vitale Eigenschaften hat und innere Kräfte: Bewegung, Ausdehnung, Wachstum, Anziehungskraft für die Nahrungsaufnahme. Es ist die physische Grundlage für Leben. (Es ist von nicht geringer Bedeutung, dass diese Eigenschaften Reichs Beschreibung des Orgons und seiner Funktion im Lebendigen ähnlich sind.)
Was hier besonders ins Auge sticht ist die letzte dieser Eigenschaften, die physische Grundlage des Lebens. Das Plasma ist die früheste, die primäre Lebenssubstanz. Primär in dem Sinne, dass es sich früh in der Entfaltung des Lebens vor Millionen Jahren entwickelt hat, und es ist primär in dem Sinne, dass es sich in jedem von uns 12 Tage nach der Empfängnis entwickelt.
Es ist „the soup of life“. Es ist das Meer, in dem alle von uns und unsere getrennten Teile treiben. Es ist der Ort der Existenz, der Raum, in dem wir leben können.
Man betrachte das Meer vom Grund bis zur Oberfläche mit all den verschiedenen Formen von Leben – Pflanzen und Tieren, mikro- und makroskopisch. Sie alle werden durch das Medium unterstützt, welches wir Meer nennen. Sie werden nicht nur unterstützt, sondern es wird ihnen ein Raum gegeben, ein Raum, in dem sie existieren können.
Das Plasma ist das innere Meer, in dem wir „treiben“. Jeder einzelne Teil unseres Körpers ist darin eingetaucht, ganz umgeben von dieser Halbflüssigkeit. Tatsächlich ist jede einzelne Zelle mit dieser Halbflüssigkeit gefüllt. Sie ist überall vorhanden und als Folge sind alle psycho-somatischen Funktionen direkt davon abhängig. Und so wie alle Lebensformen im Ozean durch Umweltverschmutzung negativ beeinflusst werden, werden unsere ganzen Lebensfunktionen gestört, wenn unser Plasma „verschmutzt“ wird. Für den Körperpsychotherapeuten ist die bedeutsamste Form der Verschmutzung die chronische Kontraktion. Und die früheste, stärkste und tiefste Kontraktion ist der schizoide Zustand.
Die Geschichten von drei verschiedenen KlientInnen helfen uns die Bedeutung von Plasma und seine Rolle in der Entwicklung des schizoiden Charakters zu verstehen. Ich hatte einen Klienten, der berichtete, dass seine Mutter bei seiner Geburt unfähig war ihn in der ersten Stunde im Arm zu halten, weil die Mutter meinte, dass er ihrem Vater zu ähnlich sah. Ein anderer Klient berichtete, dass seine Mutter bei der Geburt „verrückt“ wurde und er einige Monate lang von einer Tante versorgt wurde, bis es der Mutter wieder besser ging. Eine Klientin erzählte, dass sie – drei Monate alt – von der Familie an einen „anderen Ort“ gebracht wurde und erst nach einem Jahr wieder in die Familie zurückkehren konnte.
Alle diese Geschichten haben eine frühe Trennung mit einer als wahrscheinlich anzunehmenden Kontraktion und einem Trauma zum Thema. Jede Geschichte ist einzigartig. Die Fakten sind unterschiedlich, Täter und Opfer sind unterschiedlich und die Gründe für jeden Fall sind andere. Und somit haben wir drei Individuen. Aber auf einer tieferen Ebene, und ich denke, es ist die tiefste Ebene, ist alles dasselbe. Auf der psychosomatischen Ebene ist für jedes Individuum seine bzw. ihre Geschichte persönlich von Bedeutung. Aber für den Organismus selbst sind die Unterschiede nicht von Bedeutung. In allen drei Fällen war die Antwort dieselbe: eine plasmatische Kontraktion. Jeder dieser Klienten hat seine eigene Strategie entwickelt – seine Charakterstruktur – um mit seiner persönlichen Vergangenheit umzugehen. Aber auf der ganz primären Ebene ist die Strategie die gleiche – die chronische plasmatische Kontraktion; eine Verschmutzung des Meeres des Lebens. Psychosomatisch sehen wir eine Vielfalt von speziellen Verhaltensformen, die entwickelt wurden, um mit der eigenen Geschichte umzugehen, wie jedes Individuum für sich die Situationen gemeistert hat. Auf der funktionellen Ebene sind alle drei dasselbe: eine frühe plasmatische Kontraktion.
Die Strategie der plasmatischen Kontraktion entsteht aus einem ganz einfachen Grund. Es ist die einzige Strategie des Fötus und des Neugeborenen. Es ist in diesem frühen Stadium das einzige zur Verfügung stehende Abwehrsystem.
Betrachten wir die Amöbe. Sie hat kein Muskelsystem und kein psychisches System, soweit wir wissen. Im Gegensatz dazu bilden diese zwei Systeme – Psyche und Soma – die Basis für das menschliche Abwehrsystem – sowohl für das gesunde als auch das neurotische. Ohne Muskeln anspannen zu können, um zu kämpfen oder zu flüchten, ohne den psychischen Apparat des Egos, ohne verstehen und vorwegnehmen von Situationen, ist die Amöbe schutzlos, ausgenommen der Fähigkeit, sich bei drohender Gefahr zusammenzuziehen. Alles was sie tun kann, um sich zu schützen, ist zu kontrahieren.
Das gleiche gilt für den Fötus und das Neugeborene. Solange ein Kind seine Muskulatur nicht willkürlich in Bewegung setzen kann, kann es diese Systeme nicht abrufen, um sich zu verteidigen. Ohne zurückschlagen zu können, die Augen verdecken oder weglaufen zu können, ist es – außer durch plasmatische Kontraktion – gänzlich hilflos.
Das trifft auch auf den psychischen Bereich zu. Solange das Kind die Situation nicht einordnen kann, solange es kein stabiles Ego, keine Eigenwahrnehmung bzw. Planungsfähigkeit besitzt, bleibt ihm nur die plasmatische Kontraktion – der Rückzug aus dem Kontakt – um sich zu schützen.
Gleiches gilt auch für den emotionalen Bereich. Solange das Kind keine wütende Antwort geben kann, ist es emotional unfähig, sich zu schützen. Angst – Kontraktion – ist alles, worauf es sich berufen kann.
Als Folge dieser frühen plasmatischen Kontraktion, also solange das Kind ansonsten schutzlos ist, sehen wir das typische Verhalten eines erwachsenen Schizoiden im psychischen und somatischen Bereich. Und die Art und Weise, wie wir das verstehen können, wird über die Funktionen des Bindegewebes deutlich.
Bindegewebe ist ein allgemeiner Begriff für die verschiedenen Arten von Gewebe, die auf verschiedenen plasmatischen Stadien beruhen. Das Plasma ist die Basis dieser Gewebe. Ein heute gebräuchlicher Ausdruck für Plasma ist auch „Grundsubstanz“. Wie vorher schon erwähnt, kann das Plasma oder die Grundsubstanz sich in unterschiedlichen Stadien der Konsistenz befinden – als Lösung, als Gelatine, als Kristall. Innerhalb dieser Grundsubstanz gibt es verschiedene Arten von Zellen und Fasern. Die Zusammensetzung dieser verschiedenen Zellen und Fasern und die Konsistenz der Grundsubstanz bestimmen, welche Arten von Gewebeverflechtung wir vorfinden: Faszien, Knorpel, Sehnen, Bänder, Schleimhäute; auch Knochen und Blutplasma sind Bindegewebe.
Zuerst wollen wir uns die Hauptfunktionen der verschiedenen Arten von Bindegewebe ansehen und sie dann mit den psychischen und somatischen Eigenschaften des Schizoiden vergleichen.
Das Wort Plasma, stammt aus dem Griechischen und bedeutet: kneten, formen, bilden. Nicht überraschend, denn eine der Hauptfunktionen des Bindegewebes ist das Schaffen von Gestalt und Raum.
In Forschungen wurde beschrieben, dass beim Eintauchen eines Tieres in Säure sich alles außer dem Bindegewebe auflösen würde. Wenn man das Tier wieder herausnimmt, hat es immer noch die gleiche Form wie zuvor. Von außen würde es gleich aussehen. Und von innen auch. Wir könnten nach innen spähen und den Platz für das Herz sehen, die Lungen – alle inneren Organe. Es wäre, als ob noch alles dort wäre, aber nicht sichtbar. Alle Blutgefäße, Nervenscheiden und serösen Membrane wären intakt, ebenso die Knochen. Das Bindegewebe umgibt den Körper direkt unter der Haut und gibt ihm sein äußeres Erscheinungsbild. Ebenso schafft es alle Formen und Räume im Inneren, so dass jedes Organ, buchstäblich jede Zelle ihr eigenes Zuhause, ihren eigenen Platz hat.
Zusätzlich verbindet, verkapselt und trennt das Bindegewebe verschiedene Teile des Körpers. (Hier sehen wir wieder ein Paradox – etwas das gleichzeitig sowohl trennt als auch verbindet.)
Es ist klar, dass das Bindegewebe seinen Namen von einer verbindenden Funktion hat. Seine primäre Rolle ist das Zusammenhalten. Es ist der „Klebstoff“ der getrennten Teile des Körpers. Es ist das, was uns zusammenhält. (Bei Überforderung löst sich der Klebstoff bei Schizoiden.) Als Folge dieser verbindenden Funktion gibt es ein vernetztes System im ganzen Körper. Jeder Teil des Körpers ist direkt mit allen anderen Teilen des Körpers durch das Bindegewebe im allgemeinen und die Faszien im besonderen verbunden.
Ida Rolf hat herausgestrichen, dass, wenn man an einer Stelle eines Pullovers zieht, man die Falten als Linien der ausstrahlenden Spannung zu den anderen Teilen des Materials sehen kann. Entsprechend dem Netzwerksystem des Bindegewebes gilt das gleiche auch für den menschlichen Körper. Wird ein Teil des Körpers einer Spannung ausgesetzt, sind alle anderen Teile in unterschiedlichem Maße davon betroffen.
Eine weitere Funktion hat das Bindegewebe, indem es dem Körper die aufrechte Haltung gibt, unterstützt, sie verstärkt; denken wir dabei an den vertikalen linien-/röhrenförmigen Körper eines klassischen Schizoiden.
Außerdem schützt es die Integrität des Organismus gegen äußere und innere Störungen. Für Körperpsychotherapeuten würde das beides einschließen: sowohl physischen als auch psychischen Schaden.
Die Integrität des Organismus hat mit dem Sich-sicher-fühlen in der Welt zu tun. Wenn diese Funktion im Schizoiden zusammenbricht, löst das direkte existenzielle Not aus. Wegen des frühen Traumas ist die Integrität des Organismus bedroht. Plasmatische Kontraktion taucht auf und das Bindegewebe kann seine Funktion des Schützens der Integrität des Organismus nicht wahrnehmen. Er fühlt sich Gefahren ausgesetzt. Es entsteht eine Hintergrundangst, die Angst zu „verschwinden“. Das Griechische kennt ein Wort dafür: Lyse. Es bedeutet das plötzliche, zu schnelle Auflösen eines Systems. Paralyse – Lähmung – ist ein Versuch des Organismus, mit dieser Auflösung, dem rapiden Verschwinden, umzugehen. Deshalb die gefrorene, paralysierte Qualität des Schizoiden. Es ist eine korrekte Anpassung – eine verzweifelte Anpassung – an eine sehr ungesunde und gefährliche Situation.
Aus diesem Grund entstehen beim Schizoiden sehr schnell existentielle Fragen. Lebe ich in dieser Welt? Und wenn, dann wo? Wo ist mein Platz in dieser Welt? (Die mystischen Schizoiden fragen sich noch selbst: „Möchte ich in dieser Welt leben?“)
Der Versuch, den Schizoiden aus seinem gefrorenen, paralysierten Status gewaltsam herauszuholen, ist gefährlich. Auf der organischen Ebene wissen sie das. Das ist es, warum wir so viel Widerstand und Vermeidungsverhalten in der Körperarbeit sehen. Die Techniken wurden entwickelt, um „nieder- oder durchzubrechen“. Schizoide wissen, dass sie bei einer Arbeit mit solch einem Ansatz in Gefahr von Auflösung stehen.
Die nachfolgende Aufstellung zeigt die Verwandtschaft der Funktionen des Bindegewebes und des psychischen und somatischen Verhaltens von Schizoiden.
TABELLE 2
GEMEINSAMKEITEN VON BINDEGEWEBE UND VON SCHIZOIDEN | |
---|---|
Funktionen des Bindegewebes | schizoides Verhalten |
frühe Entwicklung im Organismus festigt sich gegenüber Eindringen/Störungen | frühe Störung im Organismus plasmatische Kontraktion erst Abwehrhaltung |
unterstützt den Organismus | Kontraktion bedeutet Geerdet sein Innerer Grund Lähmung |
schützt die Integrität des Organismus | kontrahiert, um nicht zu verschwinden Lyse/Paralyse |
erschafft Aufrechtsein | Vertikallinie des Schizoiden |
schafft Raum und Platz | kein Raum, kein Platz in der Welt |
dehydriert | trocknet aus |
re-hydriert | setzt „Fleisch“ an, füllt aus |
kristallisiert | schwach/zerbrechlich |
sehnig | gespannt |
belastungsfähig | drahtig, sich nicht leicht unterkriegen lassen |
Netzwerksystem | Ganzkörperkontraktion |
„snapping“ – alles oder nichts | ;“snapping“ – fällt auseinander, von nichts bis zu viel |
unter Spannung | röhrenähnlich |
entwickelt Parallellinien | Vertikallinie des Körpers |
wenig Gefäß- und Innervation | kalt, distanziert, kontaktlos wenig Wahrnehmung wenig Reaktion |
separiert/ verkapselt/verbindet | isoliert/einsam/getrennt |
steuert Stoffwechsel | unterernährt |
Wenn wir uns diese Aufstellung ansehen, können wir beginnen, die funktionelle Verwandtschaft von Bindegewebe und dem Schizoiden zu verstehen.
(Übersetzung aus dem Englischen: Regina Hochmair und Wolfram Ratz)
Fortsetzung in BUKUMATULA 3/97