24 Dez
Bukumatula 2/1998
Eine Liebeserklärung von Beatrix Teichmann-Wirth
– 10 Jahre Bukumatula –
Manche mögen meine libidinöse, zärtliche Verbindung zu Dir belächeln oder sogar abwerten. Und auch ich selbst zögerte, meine Zeilen anlässlich Deines Geburtstags derart direkt und unverschämt an Dich zu richten. Ist es nicht lächerlich, eine zweimonatlich erscheinende Zeitschrift dergestalt zu würdigen? Wäre es nicht angemessener, eine chronologische Abfolge der Ereignisse rund um „Bukumatula“ zu kommentieren? Oder den Stellenwert von Bukumatula in der körper(psycho)-therapeutischen Journal-Szene herauszuarbeiten?
Nein. Mein Herz hängt an Dir und jedesmal, wenn das WRI-Gebäude einzustürzen droht, weiß ich wieder, wie sehr. So will ich es riskieren, diese meine Zuneigung zu veröffentlichen. Es ist eigenartig. So deutlich spürbar meine Beziehung zu Dir ist, so groß sind die Schwierigkeiten, Dich auf Nachfrage hin zu definieren. Dies fängt schon beim Namen an. Wie spricht man diesen eigentlich aus? Bukumatula, wie ich es tue, oder Bukumatula?
Möge die Frage der Betonung und die damit verbundene Scheu der Aussprache kein Hemmschuh dafür sein, dass es sich herumspricht, dass es Dich gibt. Auch die Bedeutung des Namens dürfte nicht zum Allgemeinwissen selbst Reich-belesener Personen zählen. Er ist uns zugefallen, eines WRI-Vorstandsabends, als wir schon eine Vielzahl von klugen und bedeutsamen Namen aus unseren Köpfen gezwungen hatten.
Dann, als schon die ersten Ermüdungserscheinungen und wohl auch die Wirkung des Rotweins spürbar waren, wurde Dein Name erstmals ausgesprochen, von Alfred Preindl, der aus diesem Grund wohl geschichtliche Bedeutung erlangt hat. Ich kann mich gut erinnern. Natürlich gab es Einwände (die Aussprache und die umgangssprachliche Bedeutungslosigkeit), aber die Begeisterung war dennoch unmittelbar erlebbar und setzte sich durch.
Gut so, wie ich meine.
Drückt die Wahl eines derart ungewöhnlichen Namens doch auch aus, was Du nicht bist: Zuallererst einordenbar.
Als Zeitschrift für körper(psycho)therapeutische Themen, die Raum gibt für wissenschaftliche Reputationsbestrebungen.
Als (politisches) Instrument im Kampf um die Anerkennung körpertherapeutischer Verfahren.
Ich glaube, man macht auch nach zehnjährigem Erscheinen „keinen Staat“, wenn man in Dir etwas veröffentlicht hat. Vielmehr riskiert man wohl fragendes Kopfschütteln „in Bukumatula (wieder die Aussprachehemmschwelle), was ist das?“
Und dennoch hast du einigen „Größen“ der Szene für ihre Gedanken Heimat gegeben. Will Davis mit seinen Beiträgen, die wirklich den Namen Originalia verdienen, sind sie doch ursprünglich, nicht bloß zusammenfassend, aus bereits Vorhandenem synthetisierend.
Auch Heiko Lassek und Heike Buhl haben Dich mit ihren Beiträgen zur Energetischen Medizin bereichert. Und unser, letztes Jahr leider verstorbener Myron Sharaf, hat in Dir seinen analytischen Ansatz formuliert, was Anlass für körpertherapeutische Kontroversen war. Diese Kontroversen könnte man unter den Titel „Wer hat ein Anrecht auf das therapeutische Erbe Wilhelm Reichs?“ stellen.
Du ertrugst dies alles mit Gleich-Mut ohne zu entscheiden, vielleicht mit der von Michael Smith benannten Haltung „Life ist bigger than you“. Auch Loil Neidhöfer, mit welchem uns über Jahre hinweg mehr verband als abgedruckte Zeilen, hat in besseren Zeiten noch aus Dir gesprochen. Damals, als er noch nicht über ein eigenes Schriftwerk verfügte, welches natürlich größer (was bei Deiner äußerlichen Kleinheit nicht schwer sein dürfte) und auch glänzender wurde. „Skan-Reader“ wird es genannt. Und eben in diesem Skan-Reader musste ich Beleidigendes über Dich lesen: Du wirst als „Periodikum mit kleinster Auslage“ herabgemindert.
Das war nach der „Wende“ zwischen Loil und den Bukumatula-Bewohnern. Anlass war eine Veröffentlichung in Dir, wo Bernhard Hubacek über einen Artikel einen Konflikt mit Loil austrug. Uns – Wolfram Ratz, Renate Wieser und mir – war nicht wohl dabei. Und dennoch erschien uns die Strafe für die Veröffentlichung – der Kontaktabbruch von seiten Loils – zu hart.
Es war sicher in Deinem ganzen Leben die aufregendste Zeit. Wir drei saßen stundenlang zusammen, entwarfen Herausgeberbriefe, nur um sie dann wieder in den Papierkorb zu werfen, versuchten Formulierungen und waren doch noch zu befangen und ängstlich, um wirklich in aller Freiheit dazu Stellung zu nehmen.
Ja, Du bist klein, misst nur 15x21cm und birgst nicht mehr als 30 Seiten in Dir. Platz für einen Leit-Artikel.
Ich finde das schön. Man sieht sich nicht einer Fülle von verschiedenen, zu erarbeitenden Inhalten gegenüber. Man muss Dich nicht mit Unterstreichstift lesen, Du eignest Dich für mich auch als Lektüre im Bett oder aufgrund Deiner Leichtigkeit und Handlichkeit als Wegbegleiter.
Ich selbst – und dies fällt mir jetzt erst so deutlich auf – blieb Dir in all den Jahren treu. Nie ein Gedanke, meine Ideen in renommierteren und wohl populäreren Zeitschriften zu veröffentlichen. Ich finde in Dir einen weiten Raum, wo es Erlaubnis gibt. Erlaubnis, aus mir heraus zu schreiben, ohne sekundäre Motivationen. Wie die Paare im bukumatula der Trobriander, bin ich mit Dir eine dauerhafte Beziehung – die mit Wilhelm Reich – eingegangen.
Es findet für mich eine „Befürsorgung“ meiner Art des Schreibens statt. So unbewusst die Namenswahl war, um so freudiger nehme ich nun wahr, wie passend Dein Name ist. Auch Du bist ein „Ledigenhaus“ für Personen, welche sich noch nicht einer Richtung verschrieben haben. Und wenn in der Beschreibung von „Bukumatula“ bei Reich zu lesen steht: „Es gilt als höchst ungehörig, ein anderes Paar beim Liebesspiel zu beobachten“, so trifft diese Regel – scheint mir – auch auf Dich zu.
Soviel ich mich erinnere, hast Du niemals dafür herhalten müssen, dass das Liebesspiel anderer (mit welchem Therapieansatz sie liebäugeln und an welchen Formen des Liebesspiels sie sich erfreuen) kommentiert oder herabgewürdigt wurde, auf dass wir in Dir groß erscheinen.
Und wie im bukumatula die Paare durch keinerlei Gesetz und Sitte miteinander verbunden sind, gibt es auch in Dir keine durch lebenslängliche Bande gebundenen Bewohner. Wer dazukommt, tut dies aus eigener Freiheit und Freude.
Dass dies möglich ist, verdanken wir wohl zu allererst Wolfram. Er sorgt dafür, dass das Bukumatula-Haus steht.
Wolfram ist auch für die Gestaltung Deiner Außenfassade verantwortlich.
Du glänzt durch dezentes blassgrau, das Dir einen edlen, würdigen Anstrich gibt. Nichts Protziges haftet Dir an, das Namensschild wie im Vorübergehen an die Hauswand geschrieben. Kein ähnliches Haus hab‘ ich je gesehen. Du bist für mich attraktiv durch das Ungewöhnliche, das Schlichte. Ich frage mich, in welchem Verwandtschaftsverhältnis Wolfram wohl zu Dir steht.
In den Herausgeberbriefen gebärdet er sich wie ein guter Onkel („Viel Spaß beim Lesen“). Verantwortlich für Dein Wohl und Gedeihen, fühlt er sich wie ein Vater. Und dennoch gibt es etwas Verschämtes in Wolframs Beziehung zu Dir. So als wärst Du einer großen, aber verborgenen, vielleicht heimlichen Liebe entsprungen. Ein Kind, für welches Wolfram zwar rührend und liebevoll sorgt, wo aber Vaterstolz nicht unverhohlen zutage treten darf.
Ich selbst empfinde mich als Patentante von Dir – eine Art Luxusbeziehung – nehme Kontakt auf, wenn ich mich nach Dir sehne oder Du Unterstützung brauchst. Und ich begleite Dich mit den besten Wünschen.
Da gibt es doch dieses Geburtstagslied „Hoch sollst Du leben!“- Also:
Leben sollst Du bleiben, 3x so viel Leben.
Zart sollst Du bleiben, 3x so zart.
Kräftig sollst Du bleiben, 3x so kräftig.
Vielseitig sollst Du bleiben, 3x so vielseitig.
Kompromisslos sollst Du bleiben, 3x so kompromisslos.
Und das wichtigste:
Artikel-Kinder sollst Du kriegen, 3x so viele.
Damit grüße ich Dich,
liebes Bukumatula,
von Herzen
Deine Beatrix